Moore und Schneider

Sonik Torsten im Pebehaeff-Klub

Krischan am

Ich war schon wieder aufm Konzert: Thurston Moore war in Berlin, und weil mir seine letzte Platte doch wieder gut gefallen hat, wollte ich diesmal wieder hin. (Das letzte Mal ist ja schon vier Jahre her, da war er mit seinem halbakustischen Kram in der Volksbühne.) Katharina musste die Kinder hüten, hatte aber sowieso kein Interesse. Ob das an der Musik liegt – zwei-drei Platten von Sonic Youth hat und mag sie ja eigentlich auch – oder einfach nur eine verständliche Abneigung gegen meine ausufernde Sammelwut ist? Wer weiß. Also allein hin. Vielleicht treffe ich ja den einen oder anderen Bekannten.

Die Verbindung mit Straßen- und S-Bahn lief super, nur dass ich immer noch eine Meldung auf meinem Handy hatte, dass ich für den Handyticketkauf gesperrt wurde und mich an den Support wenden solle. An welchen? Unter welcher Nummer oder Adresse? Egal, Münzgeld hatte ich mir von Katharina noch geborgt, Papiergeld hab ich mir am Ostbahnhof gezogen, und kurz nach achte bin ich im seichten Strom der Konzertgänger in den Postbahnhof (oder PBHFCLUB, wie er neuerdings zu heißen vorgibt) eingetrudelt und habe an der Abendkasse für 28 Euro (Alter, hätte jemand seinerzeit für 55 Mark so ein Konzert besucht?) ein Ticket erstanden. Nee, nur den Einlass, eine papierne Gegenleistung habe ich nicht erhalten.

Drin wars schon locker gefüllt mit Wartenden. Ich hab mich an eine Säule gelehnt und die Eintrudelnden beäugt. Gleichalte und ältere, zum Teil auch jüngere, aber wahrscheinlich kaum welche unter 30. So war das ja am Sonntag auch schon.

Beizeiten bestieg dann ein Herr die Bühne, der mir irgendwie bekannt vorkam. Ich tippte auf Schneider TM, den ich irgendwann schonmal als Vorband von Sonic Youth oder Thurston Moore gesehen zu haben glaubte (es war das 2012er Codeine-Konzert im Festsaal Kreuzberg). Ein bärtiger Langhaariger sprach mich auf einmal an, ob ich wüsste, ob und wo es einen Merch-Stand gäbe, er wäre in Kauflaune. Nö. Aber er wusste dann, dass das da vorne tatsächlich Schneider wäre, der hätte ja früher, also ganz früher, auch tolle Bands gehabt, und das Video im Netz mit den Elefanten, das wäre ja auch super. Aha.

Jedenfalls gings dann los mit Geräuschcollagen aus E-Gitarre, Effektgeräten, Loops und unkonventioneller Saitenbearbeitung. Ein/zwei Zeilen hat er wohl auch noch gesungen. Das erste Stück – wenn der knapp halbstündige Auftritt denn so eindeutig in zwei Teile geteilt werden kann – war eher sowas kosmonautisch verhalltes echo-knarzendes, das zweite mehr sowas bedrohlich dröhnendes. Melodie und Rhythmus wurden nicht benötigt, nachvollziehbare Strukturen außen vor gelassen, und am Ende wurde es erfreulich laut. Gar nicht so schlecht, aber zu Hause möchte ich sowas wohl nicht hören.

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Unter den aus dem Saal strömenden Leuten wieder der Typ von vorhin mit der Info, dass es kein Merch gäbe wegen dem in Paris getöteten Eagles-Of-Death-Metal-Roadies. Aus Solidarität oder als Symbol für was weiß ich. Vielleicht hilft das ja, die Konzertbesucher in Berlin zu bestreiken, nachdem woanders ein ganz anderer erschossen wurde. Muss ich nicht verstehen und weiß auch nicht, woher die Information stammt, denn ich greife schonmal vor: später gabs dann doch einen Verkaufsstand mit T-Shirts und CDs und allem Pipapo, hab ich beim Klogang während der Zugabe gesehen.

Ich hab mich dann also mit einem neuen Bier bewaffnet nach vorne gestellt in die dritte oder vierte Reihe und mit den anderen zusammen gewartet. Hat ganz schön gedauert, gebaut wurde nichts mehr auf der Bühne, aber irgendwann kam dann die Thurston Moore Band auf die Bühne geschlurft: ein altgewordener Lulatsch mit ausgeleierten Lippen, weißem Hemd und dunklen Samthosen, um den Hals ein Kettchen mit gefärbtem Stein und grüner Feder, ein kleiner Mann mit 70er-Jahre-Frisur in Jeans und schwarzem Hemd, eine etwas unförmig gewordene Frau mit schwarzgefärbter Mark-E.-Smith-Frisur und ein Miss-Marple-Double mit verwaschenem grünem Hemd. Sie wurden vom Lulatsch als Thurston, James, Debbie und Steve vorgestellt, ein neuer Song vom neulich aufgenommenen und im nächsten Jahr erscheinenden Album »Rock’n’Roll Consciousness« (ja echt jetzt) wurde angekündigt, und schon gings los.

Immer ordentlich abwechselnd haben sie Sachen von der neuen Platte und vom letzten Album gespielt. »Germs Burn«, »Speak To The Wild«, »The Best Day« und »Grace Lake« waren auf jeden Fall dabei, das letztere instrumentale Stück auf mindestens die doppelte Länge ausgedehnt, mit herrlich verschlepptem Einstieg und langen Passagen. Live kann man das ja machen, ohne dass die Spannung verloren geht. Das Publikum stand andächtig still und fotografierte ab und zu, getanzt wurde nicht. Ich war auch ab und zu versucht, einen Schnappschuss zu probieren, aber im Dunkeln macht das Fairphone eh keine besonders guten Fotos, und das Netz wird ja beizeiten voll sein mit besseren Resultaten.

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Gitarren wegstellen, Danke sagen, rausgehen und nach einigen Augenblicken Gejubel und Gejohle wieder auf der Bühne erscheinen war eins. Und dann wurden alte Songs angekündigt, von einer Platte aus den Neunzigern, die er mit ungefähr zwölf Jahren aufgenommen hat, Steve und außerdem einer namens Tim waren auch dabei, »Psychic Hearts« heißt die jedenfalls. »Pretty Bad«, »Ono Soul« und noch eins oder zwei haben sie gespielt, genau weiß ich das leider nicht mehr, nur dass ichs geil fand und mich mal wieder gewundert habe, warum ich mir diese Platte nicht öfter anhöre. (Bei setlist.fm steht auch noch nix vollständiges.)

Später gabs noch eine zweite Zugabe, wieder mit neuen Sachen. Danach war dann aber Pumpe und der Saal leerte sich. Hinter mir zwei nur mäßig begeisterte Banausen, die sinngemäß meinten, zwei so Noise-Stellen hätten ausgereicht, er solle mal lieber richtig rocken. Wieso geht man auf ein Thurston-Moore-Konzert, wenn man so Noisezeugs nicht mag? Abneigungen gegen Abweichungen gibts offenbar überall.

Nebenan im Postbahnhof ohne Club war auch was zugange: hundert geklont aussehende Anzugherren standen in einem großen Saal in Zweier- oder Vierergruppen mit vereinzelten Businessdamen an Stehtischen herum und unterhielten sich. Krähsie.

An den Döner- und Burgerläden bin ich vorbeigekommen, ohne von willlensschwachen Begleiterinen zu unnötigen Nachtmahlen verführt zu werden, und noch vor Mitternacht war ich zu Hause, konnte dort noch ein paar Gummibärchen naschen, schnell noch eine ersteigerte CD bezahlen und endlich ins Bett fallen. Obwohl, noch ein bisschen Welskopf-Henrich lesen?