Friedlicher Abend

Herbstanfang, Konzerte stehen an

Krischan am

Sebadoh hat vorgestern in dem Klub mit dem albernen Namen Musik & Frieden gespielt. Das Ticket dafür hatte ich mir schon vor Monaten im Internet zusammengeklickt, aber leider vergessen, es nochmal auszudrucken, auf diesem anachronistischen Mist besteht der Aussteller aber ausdrücklich, also musste ich am Sonntag nachmittag nochmal zum Copyladen um die Ecke und sechzig Cent (für das Einstöpseln eines USB-Sticks wollen die Geld haben) für einen Ausdruck investieren.

Nach dem Abendbrot und dem Abfüllen des frisch hergestellten Pflaumenmuses konnte ich mich also gerüstet auf die Socken machen, es sollte ja um achte losgehen mit der Vorband, und heutzutage halten die sich ja immer ganz piefig an die angekündigten Uhrzeiten. Die Straßenbahn kam aber erstmal ewig nicht, es fing schon an dunkel zu werden, dann war sie natürlich knackevoll mit jugendlichen Deppen, die sich gegenseitig mit Plattitüden anöden und keinen Schritt zur Seite gehen, wenn Muttis mit Kinderwagen die Bahn entern wollen, sich aber auch nicht beschweren, wenn sie sich an den im Weg stehenden Kinderwagen vorbeiquetschen müssen. Auf/unter/in der Oberbaumbrücke stank es wie üblich nach Pisse, beim musizierenden Heini saßen zwei Groupies, die üblichen Punks waren kaum zu verstehen, an den Streben hängen immer mehr Schuhe baumelnd herab.

Der Klub liegt direkt hinter der Brücke und hieß vor einiger Zeit noch Magnet, was vor dem Umzug dorthin der letzte Klub hier auf der Greifswalder war, bevor die grünwählenden Yuppies in seine Räume die Bio Company einziehen ließen. Zwei Mädels vor mir erklären dem Einlasser, dass sie zu einem Event wollen, das laut seiner Aussage durch den nächsten Eingang zu erreichen ist, weiter vorne in der kurzen Schlange passiert etwas langwieriger vermutlich dasselbe, denn es stockt eine ganze Weile, bis schließlich zwei Mädels sich für irgendwas entschuldigend die Treppe wieder herunterstaksen. Drinnen ist es eng und dunkel, der Barcode auf meinem Zettel wird fix eingescannt und durch einen Stempel auf meinem Handrücken ergänzt, der wuschelige Lou steht wie gehabt am Merchandise-Stand, bietet aber nur die aktuelle Platte sowie für meinen Geschmack überteuerte Poster und T-Shirts an, die keine Kaufwünsche in mir aufkeimen lassen. Eine der merkwürdigen Singles von Joyful Noise hätte mich ja interessiert, aber die sind vielleicht wirklich nichts für das grobmotorische Leben auf der Tour und die ungewaschenen Finger am Verkaufsstand der Klubs.

Die Vorband war natürlich schon am Werk. Irgendwas rockiges aus vergangenen Jahrzehnten, das auf den ersten Eindruck nicht so recht passen wollte. Und mir auch nicht besonders gefiel. Das wurde durch den optischen Eindruck ein bisschen gebessert und wie sie da mit Inbrunst zugange waren, aber Siebziger-Jahre-Protopunk-Rock ist auch mit süßen Gitarristinnen nicht so meins.

Die Dresdner, mit denen bei diesem Konzert zu rechnen war, standen auch wirklich mitten im Publikum, haben mich aber zunächst nicht erkannt und mein Anstupsen, Zuprosten und -nicken etwas pikiert als die unerwünschte Störung eines nicht ganz zurechnungsfähigen Zeitgenossen mit Aufdrängungsbedürfnis zur Kenntnis genommen. In der Pause sind sie nach draußen verschwunden, ich hab mir noch ein Bierchen geholt und etwas beleidigt neben der Tür herumgelungert, wo sie mich dann auch wirklich entdeckt und mit einigem Hallo begrüßt haben. War ja klar! Der Bart! Und: Das letzte Mal, dass wir uns gesehen haben, war beim Sebadoh-Konzert im Lido! Was mich kurz stutzen ließ, dachte ich doch, ich hätte die Band in der Form noch nie gesehen, nur Lou Barlow mal solo im Tacheles und dann nochmal in irgendeinem anderen Zusammenhang. Aber nee, stümmt schon, was Jörg erzählte, kam mir alles sehr bekannt vor. Ist halt schon sechs Jahre her.

Inzwischen wuselten die drei Sebadohs auch schon auf der Bühne herum und bauten ihr Zeug zusammen. Der Saal füllte sich, und los ging es erstmal mit drei alten Krachern aus den Neunzigern zum Einheizen, dann aber vor allem mit Songs von der neuen Platte weiter. Mehrfach wurden die Instrumente getauscht, wechseln sich Lou Balow und Jason Loewenstein doch an Gitarre und Gesang regelmäßig ab, während der jeweils andere den Bass spielt. Dabei ergab sich jedesmal die Gelegenheit, ein kurzes Schwätzchen mit dem Publikum abzuhalten, das seine Liebesbekundungen dann auch mal auf Deutsch zurückbekam. Unsere Geduld bei den Stimmpausen und nach dem Reißen einer Saite wurde gelobt, und die letzte Zugabe war dann auch die schon so oft aus allen Ecken des Saales eingeforderte »Brand New Love«.

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Ja. Schön wars. Nette Musik mit Hauruck und auch einigen melancholischen Seiten, unprätentiös von netten Leuten vorgetragen, die daran Spaß zu haben schienen, vor einem Publikum, das nicht mit Gequatsche oder Gefurze oder Gepose oder Handy hochhalten nerven musste. Was will man mehr? Die Leute an Einlass und Bar auch nett, der Saal nicht zu groß und nicht zu klein, höchstens etwas zu schlecht gelüftet, ab und zu alberne Beleuchtung an der Decke.

Hinterher nochmal draußen stehen und quatschen, manch einer hat sich eine signierte Platte gekauft, manch anderer unterhielt sich mit dem einen Gitarristen von der Vorband. Denn aber los, wir sind alle nicht mehr jung und haben zum Teil längere Wege. Sparkasse und Späti versorgen mich noch fix mit dem für die Kinder und deren Taschengeld bzw. geplanten Theaterbesuch benötigten Kleingeld, Bier und Schoki als Betthupferl fallen für mich auch noch ab, der ich mich dann bis eins nicht ins Bett finde, auch weil ich noch eine in der Zwischenzeit von Biet-o-matic für mich ersteigerte Platte bezahlen musste. Dafür war ich dann am Montag schön müde, na sowas.