Thurston Moore mal wieder. Ohne die Olle mal wieder.
Nachm Abendbrot mit der Ringbahn wieder, und dann zu Fuß rüber. Ticket mal wieder ganzseitig ausgedruckt, weils so draufsteht, aber der Einlass hat auch den Handy-Bildschirm mit dem Online-Ticket akzeptiert. Vielleicht spart man sich die Papier- und Tinteverschwendung dann doch mal ganz.
Am Merchandise-Stand lauter Platten und CDs, die gar nicht alle von Thurston Moore waren, also offenbar doch eine Vorband. War ja nirgends angekündigt. Doch nicht etwa die schwarze Frauenband, die ihre letzte Platte bei Thurstons Label rausgebracht hat und mir jetzt dauernd empfohlen wird?
Pünktlich um acht dann ein Typi mit senffarbener Mütze auf der Bühne, der zwar auch schwarz war, aber nicht zur erhofften Frauenband gehörte, sondern laut Ansage zu einer anderen, die er aber ganz alleine vertreten musste. Warum? Namen hab ich nicht verstanden. Mit E-Gitarre und ab und zu eingesetztem Sequenzing. Recht leise. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten aber ein paar nette Sachen, was das Gitarrenspiel und den Gesang angeht, doch so ganz alleine und immer wieder dasselbe und ohne die rhythmische und harmonische Ergänzung durch eine Band auf die Dauer leider recht langweilig. Da war der viele Reverb auf der Gitarre auch nicht hilfreich. Hat mich das an den einen fremdschampeinlichen Auftritt von Lars als Solokünstler in Leipzig oder wo erinnert? Nee, so schlimm wars dann doch nicht, es war ja ein fertiges Songschema im Hintergrund erkennbar, es fehlte halt nur die Band.
Beim Rumstromern nach bekannten Gesichtern dann eine der erwartbaren Nasen ganz hinten im Saal. Kurzes Begrüßungsgeplänkel, bevor ich wegen fehlendem Smalltalk-Talent lieber nochmal die T-Shirts am Merchandise-Stand besichtigen musste. Das Sonic-Life-Tattoo-Motiv in weiß auf schwarz isses nicht so ganz, der komisch umgebrochene Thurstonmoore-Schriftzug auf grün aber auch nicht. Naja. Das Album zur Tour hab ich auf LP und brauch die ausliegende CD nicht unbedingt oder wenn, dann nur ganz billig.
In der Pause mit einem neuen Bierchen schomma weiter vorne aufstellen und warten. Kommt noch eine zweite Vorband? Nee, keine zusätzlich auf der Bühne herumstehenden Verstärker und/oder Instrumente zu sehen, also vermutlich nicht. Das junge Pärchen vor mir am Überlegen, wie alt Thurston Moore denn jetzt wohl sei. Internet aufm Handy sagt ihm 64, Grund genug für verwundert-bewunderndes Kopfwackeln. Was hamm sie denn gedacht von einem, der Anfang der Achtziger mit Sonic Youth ja nicht seine allererste Band gegründet hat? Die zwei werden mir im Laufe des Konzerts immer weiter auf die Pelle rücken, obwohl vor ihnen eigentlich immer ausreichend Platz war. Der Saal war aber gut gefüllt.
Irgendwann kamen die schwarzbehemdeten Musiker*innen auf die Bühne geschlurft. Keine großen Ansagen, keine Miene verziehen, sondern losmusizieren. Und gleich der herrliche Gitarrensound, die typische Harmonien. Man kann sich auch in Musik zuhause fühlen. Bassistin Deb Googe mit weißer Bariton-Gitarre, zweiter Gitarrist mit hässlicher silbergrauer Sport-Gitarre und dämlicher Frisur-Bart-Kombi, ist das etwa ein retroreligiöser Hinterwäldler von einer technologiefeindlichen Farm im Mittelwesten? Obwohl, fast genauso sah ich vor ein paar Jahren ja auch mal aus. Netter Onkel am Synthesizer, von dem war aber zunächst fast nix zu hören, nur der Sound wird ab und zu recht breiig. Jungscher Drummer unauffällig. Thurston Moore mit buntem Kettchen und wabbeligen Doppelkinn, aber weiterhin knabenhaft wirkendem Tenor-Gesang, vielleicht wegen der Melodien.
Sie haben vor allem neue Sachen vom letzten und vorletzten Album gespielt, ein-zwei vielleicht auch ein paar Jährchen älter. Und ein ganz altes Lou-Reed-Cover. Gute Mischung aus locker-rockigen Alternative-Stücken und neo-hippiesken Klangteppichen, einmal durfte auch ausgiebig gefeedbackt werden, aber ganz still standen sie da alle, kein Gehampel mit der Gitarre am Boden oder am Verstärker oder am Bühnengestänge, sondern nur langsames Drehen und Wechseln der Position. Cool. Auch der ikonografische Drumstick wurde mal an den Saiten gewetzt und dann weggeworfen. Die Bassistin zeigte ab und zu zaghaft Emotionen, wenn sie ihr Instrument nicht ganz so stille hielt.
Aber: der Kunde am Synthesizer. Irgendwann ist dem Mixer am Mischpult wohl aufgefallen, dass man dessen Gefummel und Getippe und Gedrehe gar nicht groß hört, und auf einmal war der Rest des Konzertes hinter dem künstlichen Geblubber und Gezischel kaum noch auszumachen. Kein Song und keine Passage durfte ohne neumodisches Störgeräusch bleiben. Bei den spacigen Soundscapes der unrockigen Stücke passt das ja durchaus und ist auch auf dem Album schon so ähnlich zu hören, aber an vielen anderen Stellen war es einfach komplett too much.
Und hab ich die Gitarrensoli erwähnt? Bei zwei Stücken ist sowas wohl vorgesehen. Bei einem davon war es aber ganz furchtbar gniedelig. Und wurde trotzdem mit viel Szenenapplaus bedacht. Herrje.
Nach einer gefühlten reichlichen Stunde war schon Schluss, aber das Gejohle hat die Band wieder auf die Bühne geholt. Beim sich in die Länge ziehenden Instrumente-Stimmen die amüsierte Entgegnung auf den Zuruf, er solle hinnemachen, es wäre schließlich Montag: »Did you say it’s Monday? Who told you that?« Und spätestens als sie dann zu einer zweiten Zugabe nochmal erscheinen mussten, war die gute Stimmung auf der Bühne nicht mehr zu verhehlen.
Auch nach der zweiten Zugabe ging noch kein Licht und keine Musik an, also weiter klatschen und pfeifen und johlen, und dann kamen sie wirklich nochmal raus und haben den alten Gassenhauer »Psychic Hearts« angestimmt. Fetzt. Also prinzipiell schon, aber dann eben doch ein bisschen sehr lahm gespielt und wieder vom dämlichen Knöppchendreher verfriemelt und zerfranst.
Dann aber Schluss. Gegen elwe wohl. Kurzes Überlegen nochmal wegens T-Shirt. Dann aber doch nur Pullerngehen und ab zur Straßenbahn. Die mir kurz vor der Nase wegfuhr, aber die nächste, die schon bereitstand, ist beizeiten losgezuckelt und auch am Montag kurz vor Mitternacht alsbald recht gut gefüllt.