Es gibt ja so Veranstaltungen mit peinlichem Gruselfaktor – Lichterketten gegen Rassismus, ökumenische Gottesdienste, Live Aid und ähnlicher frömmelnd anständiger Gutmenschen-Käse –, und dazu gehörten bestimmt auch diese Konzerte für ein freies Tibet aus den Jahren 1996 und 1997.
»If there’s anything we can do on our part to help raise awareness about the bad situation of a good people, then we’re happy to do it.« meint dazu laut Booklet Lee Ranaldo, um zu begründen, warum Sonic Youth bei solch einem Quatsch mitmachen. Wenn er wirklich helfen wöllte, könnte er was handfesteres tun als das, was er sowieso immerzu tut, weil’s als Musiker halt sein Beruf ist: Musik.
Und warum ausgerechnet immer Tibet? frag ich mich. Weil Buddhismus immer noch schick ist, der Dalai Lama immer so nett grient, und die gelbe Gefahr wieder der Böse ist? Gibt es in Asien, in Süd-Amerika, oder vor allem in Afrika nicht ernsthaftere Probleme gleicher Art? Und gibt es guten Nationalismus? Es geht mir auf den Keks.
Aber abgesehen davon vereint die CD neben den unvermeidlichen dekorativen Ethno-Elementen eine lange Reihe anerkannter Größen des – naja, nagott, naja – alternativen Mainstreams.
Und ein (Groß-) Teil der Musik, die sich dabei zusammengefunden hat, ist gar nicht schlecht: Ben Harper mal wieder mit seinem Jimi-Hendrix-Imitat, Jon Spencer mit seinem durchgeknallten Rockabilly, Patti Smith mit erstaunlichem Gitarrengewitter, Radiohead mit ihrem elegischen Knatsch-Gesang, Noel Gallagher als agitatorischer Songwriter mit verzerrter E-Gitarre, Sonic Youth mit einer Instrumental-Version ihres fast zehn Minuten langen »A Thousand Leaves«-Songs, der hier noch »Wildflower« hieß und tatsächlich noch keinen Gesang hatte, Porno For Pyros mit wavigem Post-Punk;
Mighty Mighty Bosstones mit lustigem Ska-Punk, Pavement mit einem sehr schönen »Brighten The Corners«-Song, Blur mit einer unkenntlich dreckig (oder einfach schlecht?) gespielten Variante ihres Pop-Hits, Björk mit einem der bekanntesten ihrer schrägen Elektro-Pop-Songs, und die Beastie Boys natürlich mit ihrem ewig gleichen Hip-Hop;
Cibo Matto mit ihrem hysterisch schrillen, japanisch durchgeknallten Elektro-Punk, Beck mit Gitarre und gottseidank ohne Elektro, Rage Against The Machine mit ihrem archetypischen Crossover.
CD 3 ist außerdem eine »enhanced CD« mit Zusatzmaterial, verpackt in eine durch langatmige und billige Übergangseffekte auf Dauer sehr quälende Präsentation: Bilder, Filmchen, Audio-Kommentare, Infos zu Tibet, Aktionsgruppen und gewaltfreiem Protest sowie Formulare für Protestbriefe an den Präsidenten, den Wirtschaftsrat und die chinesische Botschaft. Und dutzende akustische Botschaften des Schmunzelmonsters »His Holiness The Dalai Lama« fehlen natürlich auch nicht. (Jetzt weiß ich endlich, wen der Swami Durchananda da mit seiner komischen Art zu reden immer nachmacht.)
Mein Rechner erkennt mit einem Laufwerk nur den Audio-Part, mit dem anderen nur die zweite Session, kann aber nicht allen Inhalt darstellen. Mit dem Rechner auf Arbeit geht auch nicht alles. Auf Katharinas MacBook (?) war das Betriebssystem auch zu neu, um alle Inhalte anzuzeigen.
Die CDs stecken in einem aufwendig gestalteten DigiPak (Ist das Thurston Moore auf der Vorderseite, der da mit emporgereckten Armen seine zerschrammte Gitarre dem Amp-Turm entgegenstreckt?) zum Aufklappen, mit eingeklebtem Booklet (Der Leim hält nun nach zehn Jahren aber nicht mehr.) auf schönem offenem Ökopapier inklusive appellierende Postkarte an den amerikanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, William J. Clinton.
Tracks
- Ground On Down
- Blues Explosion Man
- Om Mani Padme Hung
- About A Boy
- Fake Plastic Trees
- Oh My God
- One
- Cast No Shadow
- Wildflower Soul
- Meija
- The Celebration
- This Is A Call
- The Bridge Is Over/Black Cop/South Bronx Medley
- Star Spangled Banner/Nobody Beats The Biz
- Closing Prayers
- Opening Prayers
- Yellow Ledbetter
- Noise Brigade
- Type Slowly
- Gyi Ma Gyi
- Heads Of Government
- She Caught The Katy
- Opening Prayers
- Electrolite
- Ajo Sotop
- Wake Up
- Hyper-Ballad
- The Harder They Come
- Root Down
- Closing Prayers
- Birthday Cake
- Asshole
- Me, Myself & I
- Fu Gee La
- Bulls On Parade
- Beetlebum