»Ein Jahr und seine 20 Songs«, aus der Reihe »1000 Songs – Fünfzig Jahre Popmusik. Ausgewählt, kommentiert und präsentiert vom Süddeutsche Zeitung Magazin. 1955–2004«
Die Süddeutsche konnte also der Versuchung auch nicht widerstehen, die jüngere Musikgeschichte in eine überschaubare und abzählbare Menge Songs einzudampfen. Dass das nicht funktioniert, stört dabei nicht, weil es im Grunde niemand ernsthaft erwartet. Und es reiht sich ja auch gut in die inflationär werdenden Reihen von Jahrtausend-Videos, -Büchern etc. ein.
Für mich war das Jahr 1993 ja in vieler Hinsicht Neuland: da hab ich mein Abitur gemacht, eine Tischlerlehre am Theater der Jungen Generation begonnen, bin von zuhause aus- und in das (genaugenommen damals schon nicht mehr) besetzte Haus auf der Louisenstraße 93 eingezogen, habe mir meine erste Tätowierung stechen lassen … Ein wildes Jahr voll neuer und wilder Musik.
Aber wonach haben sie die Musik auf der CD ausgewählt? Mir ist sie zum Großteil unbekannt, aber ich hab ja damals so gut wie nie Radio, sondern nur Kassetten und Platten gehört. Jedenfalls ist es bis auf wenige Ausnahmen alles doofes Zeug in einer eigenartigen Zusammenstellung: Hip-Hop, Western, Stadion-Rock, Brit-Pop, R&B, Synthie-Pop, Break-Beat, brasilianischer Ethno-Schnulli, Jazzmatazz, Dub, Liedermacher … Aber zwischendurch dann Vibraphon-Jazz von Helge Schneider oder schwer schleppender Rock von den Melvins oder dubbelnder Hip-Hop von Cypress Hill und Sonic Youth oder cineastisch-orchestrales von Gavin Bryars und Tom Waits: na siehste!
Das Buch sieht auf den ersten Blick ganz schön dick aus, enthält aber in Wirklichkeit nur 80 mit großen Buchstaben locker gefüllte Seiten voll Kokolores: ein achteinhalbseitiges »pophistorisches Essay« von Hans Nieswandt, eine »große Fotostrecke«, »Zeitdokumente« (ein weiterer achteinhalbseitiger Artikel über Björk von Ekow Eshun) und die jeweils halb- bis anderthalbseitige »ausführliche Geschichte« der »20 besten Songs des Jahres«, dazu ein ganzseitiges Impressum und eine ganzseitige Aufzählung von Personen, denen gedankt werden muss, sowie noch drei Seiten »Anhang«. Und grafisch ist es eine herbe Enttäuschung: da hätte ich von der SZ mehr erwartet.
Und auf dem Buch steht außen die ISBN 3-86615-054-6, innen drin aber die 3-86615-054-7. Muss das so?
Tracks
- Oh Carolina
- Give Back The Key To My Heart
- I Should’ve Known
- Hip Hop Hooray
- Regret
- Hey Mr. DJ
- Sweet Harmony
- 19.5
- Vibrationboogie
- Nossa Gente
- Könnt Ihr Mich Hör’n?
- Loungin’
- Deep Shit Pt. 1 & 2
- Emoçôes
- Hitler – Menschlich Gesehen
- Tequila Sundae
- Joan Of Arc
- Nickel Bags
- I Love You Mary Jane
- Jesus’ Blood Never Failed Me Yet