Kooles Konzert

Ich war diese Woche das sechste Mal bei einem Sonic-Youth-Konzert. Oder sagt man »auf«?

Krischan am

Nachdem ich in den letzten Tagen meinen durch unüberlegte Vorbereitung des Festplatten-Verschlüsselns leicht angeschossenen Rechner wieder aufgepäppelt habe, kann ich ja nun endlich mal was zu dem Konzert schreiben:

Die Karten für mich und Katharina hatte ich schon vor einem halben Jahr gekauft, die Überwachung des Schlafes des Nachwuchses konnten wir in bewährte und vertraute Hände legen, und nach dem Abendbrot haben wir uns gleich verabschiedet und uns in unseren kleinen blauen Flitzer gesetzt.

Vorband war mit Family Battle Snake meines Erachtens derselbe Knöppchen-Dreher wie beim letzten Columbia-Auftritt von Sonic Youth: breitspektrales Dröhnen und Rauschen, durchaus an sonicyouthsche Gitarren-Feedbacks erinnernd, leicht oszillierend in längeren Wellen, zwischendurch ohrenbetäubend laut, aber nach einer Weile tatsächlich ein bisschen interessant. Oder hat mich nur das genervte Gucken der Bardamen amüsiert?

Nach einigem Warten und Gequatsche mit teils ewig nicht gesehenen Bekannten aus Dresden, Berlin und Hamburg haben wir uns dann in die Mitte des Saales vorgearbeitet, und dann ging’s auch schon bald los:

»No Way« ist als Start-Ansage in Maßen witzig und polterte gewaltig los, so dass ich mir nicht sicher war, ob es überhaupt einen Soundcheck gegeben hatte: der Bass übersteuert, das Schlagzeug extrem unausgewogen, und der Gesang fast nicht zu hören.

Danach der Opener und ein weiterer, ebenfalls geradliniger Rocker der neuen Platte, und ich sah auch in Thurston Moores Mimik Vergleiche mit dem Sänger der albernen Altherren-Combo aus England. Außerdem hüpfte da fast direkt vor mir so ein alberner Kerl mit weißem T-Shirt und Schal (!) und emporgereckter Faust herum wie auf einem Fußballspiel. Begeisterung ob meiner Lieblingsband? Pustekuchen.

Aber dann kam »Stereo Sanctity« von »Sister«, und ich war ein wenig versöhnt. Noch mehr, als ich feststellen durfte, dass der auf der Platte eher langweilig nach Siebziger Jahre klingende Stampfer »Anti-Orgasm« live der echte Knaller ist! (Thurston hat ihn übrigens Uschi Obermaier und der Kommune 1 gewidmet. Was soll man dazu sagen?) Und spätestens beim Alltime-Smasher »Silver Rocket«, bei dessen ordentlich meternder Noise-Passage Thurston schließlich seine Gitarre abnahm, um sie an den Boxentürmen zu reiben, war dann alles wieder gut.

Irgendwann musste ich dann doch mal pinkeln und mich durch die eng stehenden Leute durchbuddeln. Habe abgewartet, dass jemand an mir vorbei wollte, und bin schnell hinterher. Angst vorm Leute-zur-Seite-schubsen hab ich zwar nicht, wollte mir aber nicht den Weg durch die finsteren Blicke aussuchen müssen.

Das Publikum bestand übrigens aus der üblichen Mischung: vor allem unauffällige bis mäßig angepunkte Leute in den Dreißigern, aber auch einige ältere Herrschaften. Vor uns standen ein paar nach Geisteswissenschaftlern aussehende und in ihrer sendungsbewussten Unterhaltung danach klingende Herren in den Vierzigern, und auf der Galerie habe ich auch einige nach Kunst-Professor aussehende noch ältere Herren ausmachen können. Hie und da waren sogar Kinder durch die Reihen huschen zu sehen.

Das recht sanfte »Antenna« hat mir sehr gut gefallen, und mir wurde wieder bewusst, dass die neue Platte ja nicht nur aus Altherren-Rockmusik besteht: auch der lange, zwischen Ruhe und Noise pendelnde Schluss-Song »Massage The History« von Platte und Konzert ist ein spannendes, in den Bann ziehendes Stück!

Die erste Zugabe begann mit einem neuen Stück mit Lee Ranaldo am Gesang, und danach gab es mit »’Cross The Breeze« den fetten Uffta-Uffta-Punker von der »Daydream Nation«.

Die zweite Zugabe schließlich begann mit der Überraschung von »Shadow Of A Doubt«, dem schrägen, von Flageolett-Tönen durchtropften Popsong von »Evol«, und endete mit der Überraschung von »Death Valley ’69«, einer schrillen, von Kim Gordons schneidender Stimme zersägten Version des Kult-Songs (Das Wort darf man ja eigentlich gar nicht sagen!) von »Bad Moon Rising«.

Als alter Hase weiß man ja, dass Sonic Youth nur zweimal zur Zugabe rauskommen. Man könnte sich zwar wirklich längere Konzerte vorstellen, aber was soll’s, es sind ja nicht mehr die Jüngsten: Kim Gordon als Band-Älteste geht stramm auf die Sechzig zu.

Schön war’s. Draußen noch ein paar alte Bekannte treffen, andere durch Berlin chauffieren, Abschied und lose Verabredung auf einen Hamburg-Besuch, im Erdgeschoss-Spätshop noch ein Bier holen, der Juri-Betreuerin Danke sagen, den aufgewachten Juri kurz aus dem Bett holen, noch ein wenig aufbleiben zum runterkommen, auf dem Balkon noch eine rauchen, Benutzerprofile zerschießen beim spontanen Partition-Formatieren, doofen Sonic-Youth-Artikel der Vortags-Taz lesen, Whisky-Rest austrinken …

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Krischan am 25. Oktober 2009

Drei Sachen sind mir noch eingefallen:

Die Lichtshow war im Großen und Ganzen dezent und einfallslos, aber an den richtigen Stellen den Sound und die Stimmung unterstreichend. Die locker auf der Bühne verteilten quadratischen, ungefähr anderthalb Meter messenden Strahler-Anordnungen (Batterien?) haben mit ihren vier mal vier Lampen ab und zu alberne Animationen versucht, aber an den laut losbrechenden Stellen auf einmal Gegenlicht ins Publikum werfen, das hat schon was.

Die Formen auf den eigenartigen angekokelten Bettlaken (oder was immer das war, was da im Bühnenhintergrund herumstand) erinnerten einige Besucher an Chromosomen, sahen mir aber doch sehr deutlich nach Körperabdrücken aus. Diese Dinger haben sie offenbar immer mit: die sind mit schon auf Videos aus diesem Jahr aufgefallen. Weiß jemand, von welchem der vielen befreundeten Künstler die Dinger stammen?

Und die Songauswahl war recht ungewöhnlich: einerseits sehr auf die aktuelle Platte ausgerichtet, was bei einer zugehörigen Tour aber okay ist, andererseits gab es daneben ausschließlich Sachen aus den Achtzigern zu hören, und nix aus den Neunzigern oder aus den letzten Jahren. Sie haben sozusagen die Geffen- und Universal-Phase völlig ausgeblendet: wenn man es so sieht – auch wieder kool!