Eigentlich wollte ja die Frau mitkommen, wir hatten schon die übliche Verdächtige engagiert zum Kinderhüten, aber dann hat Katharina sich akut krankheitsbedingt für die Vernunft entschieden, soll heißen ich musste alleine los in die Kälte.
Karten hatte ich keine vorgekauft, wer kennt die Band schon, die mögen zwar in Musiker- und Insiderkreisen geschätzt sein, aber einer breiteren Masse doch wohl eher unbekannt. Ich kenn die ja auch nur so ein bisschen von Last.fm, und dann hab ich mal meiner Schwester eine CD geschenkt, und neulich haben wir uns noch den ganzen Kram bei bandcamp.com runtergeladen, weils ja auch der Katharina ganz gut gefällt, das japanische Gepiepse auf den fragmentarisch zerhackten Rock- und Disco-Schnipseln. Wobei, auch die taz hatte sie wohl in ihrer donnerstäglichen Kulturempfehlung drin. Hätte mich stutzig machen können.
Jedenfalls war ausverkauft, als ich da noch vor neun auftauchte. Die Türen wurden grad erst geöffnet, und die Schlange, die bis an die Ecke Schlesische Straße ging, schob sich langsam vorwärts, wurde aber dank der weiter hinzuströmenden Massen nicht kürzer. Ich hab da einfach noch ein bisschen herumgelungert auf der Suche nach bekannten Gesichtern und der Hoffnung auf übriggebliebene Karten, und tatsächlich sprach mich auf einmal jemand an, ob ich noch eine Karte bräuchte. Ja klar. Dann wollte er eigentlich weniger als den aufgedruckten Preis haben, ich hab ihm aber – auch weil ichs nicht anders passend hatte – einen aufgerundeten Zwanni in die Hand gedrückt und mich bedankt.
Kaum drin, fing auch schon die Vorband an, eine türkische Band namens Farfara, von der ich kulturnationalistischer Heini das schlimmste oder wenigstens merkwürdiges erwartet hatte, aber nein: die drei Jungs spielen nettesten Neunziger-Jahre-Indie-Dream-Gitarren-Noise-Pop mit Anklängen an Nuller-Jahre-Postrock. An irgendeine bekannte Band von vor zwanzig Jahren hat mich das schwer erinnert, ich kam aber nicht drauf. Am Anfang war das Schlagzeug ein bisschen eintönig, aber das gab sich mit der Zeit. Der Sound war vielleicht ein bisschen dünn, aber auch das wurde pö-a-pö besser.
Nach einer erstaunlich langen Umbaupause standen dann die vier von Deerhoof endlich auf der Bühne und ich weiter vorne und es ging erfreulich laut los. Wie soll ich das nun aber beschreiben, die Musik und die Musiker? Muss ich überhaupt?
Ganz rechts auf der Bühne ein drahtiger, völlig überdrehter Klassenclown am altmodisch glitzernden Schlagzeug, der in wilden Zuckungen auf den wenigen Trommeln und Becken herumdrosch und zwischen den Songs ab und zu witzig sein wollte, indem er in absichtlich schlechtem Deutsch einen minderbemittelten Dankesredner mimte. Und der mich außerdem aus irgendeinem Grund an meinen Bruder erinnerte.
Ganz links auf der Bühne ein Gitarrist, der als Kontrastprogramm oder Reaktion auf das Gehampel des Schlagzeugers oder einfach so die gelangweilte und angewiderte Show abzog und dabei grimassierend und doch wie nebenbei und nicht zuletzt offenbar, um die anderen mit den dabei entstehenden fiesen Tönen zu ärgern, an seiner Gitarre herumfingerte.
Daneben die kleine japanische Sängerin mit einem albernen Beatles-Bass, die stoisch konzentriert und unbewegt ihrer Arbeit nachging und nur manchmal ein Lächeln zu ihrem Mann am Schlagzeug schickte, damit der nicht komplett aus der Rolle fällt.
Schräg dahinter ein langhaariger Gitarrist, den ich seiner schönen Augen wegen zunächst für eine allmählich ins matronenhafte abdriftende südamerikanische Gitarristin mit neonrosa Gitarre und neonrosa Applikationen auf dem engen schwarzen Anzug hielt, der inbrünstig und begeistert mitspielte, froh, endlich Teil einer Familie zu sein.
Dass dabei keine Reinhard-Mey-Songs entstehen, dürfte klar sein. Und ganz so diskomäßig, wie befürchtet weil auf einigen Platten zu hören, wurde es auch nicht, denn außer dem genannten Instrumentarium hatten sie nichts mit. Letztlich ging es mir aber wie auch zuhause beim Hören: alles schick und fetzig und kreativ und schräg und so, aber auf die Dauer nervt mich das Fehlen von Melodie und Struktur dann doch immer wieder.
Eigentlich sollte ich ja meiner Lieben daheim noch ein T-Shirt mitbringen, aber es gab nur ein Motiv (in zwei Farben), das mir nicht gefiel. Schade.
Halb zwölf war nach einer Zugabe Schicht im Schacht, und nachdem ich einige Weilen anstehen musste, um nach dem ewigen Gestehe noch ein kleines Bier zu bekommen und danach meinen Pfandchip gegen einen Euro umzutauschen, fuhr mir auf der anderen Seite der Elbe Oberbaumbrücke die Straßenbahn zwar vor der Nase weg, die nächste kam aber gleich und setzte sich beizeiten in Bewegung, sodass ich punkt zwölf zu Hause noch ein Möhrchen aus dem Kühlschrank knabbern konnte.