Hochzeitsgeschenk

Die großartigen Wedding Present haben im kleinen Frannz gespielt.

Krischan am

Und ich war ehrlich gesagt eher überrascht, wie nett es war. Also eigentlich war ich entrüstet, dass die Band in so einem kleinen Club spielen muss, das letzte Mal hatte ich sie noch im großen Maria am Ostbahnhof gesehen, daran erinnere ich mich jedenfalls, vielleicht hab ich sie später auch nochmal gesehen, das in der Maria muss ja fast zwanzig Jahre her sein, wir hatten noch keine Kinder und das Maria war noch da unten direkt an der Spree. Na jedenfalls haben sie da noch große Bühnen in großen Clubs bespielt, wir standen weit hinten, der Sänger hatte noch schwarze Haare, und ob mich das so richtig von den Socken gehauen hat, wage ich zu bezweifeln, die Platten damals waren ja auch nicht ganz so doll. Oder?

Aber vorgestern im Frannz, einem kleinen Club an der Ecke Schönhauser/Sredzkistraße, noch zum Gebäudekomplex der Kulturbrauerei gehörend, da hammse mich echt begeistert. Vielleicht grade weil es so ein recht kleiner Club ist. War ich da eigentlich schonmal? Ich meine mich zu erinnern, da vor knapp zwanzig Jahren mal gewesen zu sein, an die Band kann ich mich aber nicht mehr erinnern. Irgendsoein Ostpunk-Ding? Und an das Innere und/oder die Bühne auch nicht. Man kommt so eine Treppe in den diagonal an die Ecke gesetzten Turm hoch, und dann ist da was. Ein Raum.

War aber schick. Okaye Preise, fancy Soli-Cola, Staropramen und Berliner und für einen Euro mehr auch ein lokales Craft-Beer, ausgeschenkt wird in richtige Glasgläser, und Tresen und Schilder und Lampen sind dekorativ. Der Laden natürlich voll mit älteren Pärchen, die Band heißt ja schließlich Hochzeitsgeschenk, den einen oder anderen kleinen Knatsch konnte man in der Warteschlange vorm Einlass auch schon miterleben. Sehr schön.

Wollten die anderen auch noch kommen? Irgendwas von Nicht-können wegen anderer Termine hatten sie berichtet, oder? Und wollten dann lieber in Dresden hingehen, nicht? Gesehen haben wir in dem kleinen Laden dann niemanden, der uns bekannt vorgekommen wäre, also haben wir uns einen Platz in der vorderen Mitte des Saals gesucht. Und dann war der Axel aber doch auf einmal da. Und verschwand nach einem kurzen Plausch wieder, der Klaus und der Falk müssten irgendwo noch sein. Er kam aber ohne sie zurück.

Kurz nach acht, eigentlich pünktlich zur Fernsehabendzeit um viertel neun sind sie dann ganz unprätentiös auf die Bühne gekommen, der Herr Gedge mit seinem weißen Haar, die jungsche Blondine an der zweiten bzw. ersten Gitarre, der glatzköpfige und stupsnasige Bassist und der glatzköpfige und dickliche Schlagzeuger. Begrüßungsfloskeln, eine Mischung aus Englisch und Deutsch, und gleich der erste Song. Ein alter Gassenhauer von der schönen kleinen Platte zum schönen englischen Auto »Mini«. Herr Gedge hat sehr schön grimassiert beim Singen, fast schon wie so ein Schlagersänger, doch dem Gesang und meiner Zuneigung tat das ausgesprochen gut. An Stellen ohne Gesang und/oder seine Gitarre hat er auch noch halb pantomimisch die Texte gestisch untermalt, er scheint seiner Songs also immer noch nicht überdrüssig zu sein, sondern performt sie voll aus sich heraus. Oder so. Dazu die kleinen halb- oder doppelt ironischen Kokettierereien, wenn er sich dafür entschuldigt, dass jetzt mal wieder einer dieser hüstel neuen Songs kommt. Ich fands süß.

Auch sonst immer wieder kleine Plänkeleien und Kommunikation mit dem Publikum, wie sie in kleinen Clubs viel besser funktioniert. Auf die Frage, wer die Band noch nie vorher gesehen habe, haben sich nur wenige gemeldet, einer davon war aus Bulgarien. Der Bassist wurde per Anekdote dafür gebrandmarkt, dass er die ganze Zeit gar nichts macht, weil er im Unterschied zu den Gitarristen und dem Schlagzeuger hinterher gar nicht komplett nassgeschwitzt und k.o. ist, sondern lockerflockig aus dem Saal schlendert. Augen auf bei der Berufswahl! Die Band hatte ganz offensichtlich Spaß am Spiel, vor allem die Gitarristin war herrlich am schrammeln, und das Publikum war an vielen Stellen erstaunlich textsicher und fleißig am Mitsingen. Bei dieser Art Musik passt sowas ja vielleicht, oder?

Das Hauptaugenmerk dieser Tour lag dann tatsächlich im fünfunddreißigjährigen Jubiläum der sehr schönen Platte »Bizarro«, das Schlagzeug hatte auch einen entsprechenden Aufkleber mit dem vom Albumcover her bekannten Kometen-Krikelkrakel, und nach ein paar alten und neuen Songs haben sie dann mehr oder weniger originalgetreu alle Songs dieses Albums gespielt. Ein Ohrenschmaus, eine Augenweide, eine Freude! All die schönen Lieder! All die schönen Gitarren! Vor allem das schöne neunminütige »Take Me!« mit den schönen Riffs, die sich am Ende so herrlich umeinanderwinden und gar nicht wieder aufhören wollen! Hach! Man hätte herumhopsen mögen!

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Dann durften wir uns was wünschen, wurden aber auch darüber informiert, dass Wedding Present keine Zugaben spielt. Das wurde ausführlich erörtert und begründet, illustriert mit dem albernen Vergleich, im Kino würde man ja auch nicht klatschen und dann nochmal drei Minuten irgendeinen Ausschnitt zu sehen bekommen. Nun ja. Es waren ja anderthalb Stunden um, da darf so ein älterer Herr auch mal fertig sein.

Klaus und Falk fanden sich tatsächlich noch ein am Tresen, sogar in weiblicher Begleitung, es war ja schließlich Hochzeitsgeschenkekonzert. Aber dass man sich in so einem kleinen Club nicht vorher über den Weg gelaufen ist? Vielleicht wollten sie aber auch nicht mit uns gesehen werden, wer weiß das schon. Allgemeine Beratung, wo man jetzt am frühen Abend noch hinwalken gehen soll. Klaus als kompetenter Ratgeber empfahl uns eine italienische Bierkneipe auf der Prenzlauer, Nähe Ecke Danziger. Die Radfahrer schoben ihre Radeln, und man tauschte sich aus über verschiedene Clubs und Konzerte und wer schon wo war und sogar aufgetreten ist. Das übliche halt.

In der Kneipe dann wieder eine stattliche Auswahl an Bieren, neben italienischen aber auch lokale Berliner Craft-Biere. Wir haben uns alle was ausgesucht und dann draußen noch eine ganze Weile gebabelt, Urlaub und Carolabrücke und Home-Office und zukünftige Konzerte und geplante Partys und so. Dann wurde es kalt und Mitternacht und wir sind nach Hause gelatscht. Das war ja das coole an dem Abend: wir mussten mal nicht mit der Bahn in die angesagten Bezirke fahren, sondern konnten zu Fuß alles erreichen. (Das waren noch Zeiten, als hier auf der Greifswalder ein kleines Stückchen weiter noch zwei Clubs waren!)