Lauter laute Frauen 1

Ein Konzerte, zwei Auftritte, sieben Frauen und ein Mann.

Krischan am

Am Donnerstag waren die Breeders da. Hatte ich noch nie live gesehen. War aber immer ganz nette Gitarrenpopmusik für zwischendurch, wenns mal etwas fröhlicher sein durfte. Damals, in den Neunzigern. Sie haben aber weiterhin alle Jubeljahre mal eine Platte rausgebracht, die haben mich dann nur nicht mehr gar so interessiert. Aber in den letzten Jahren hab ich auch da mal reingehört und fand sie eigentlich ganz okay. Paar schöne Sachen dabei.

Also Karten gekauft. Für den Festsaal Kreuzberg. Ist dann jedoch leider ins Huxley’s verlegt wurden, gab wohl mehr Nachfrage als gedacht. Anja wollte auch mal wieder mitkommen, also Treffen vorm Eingang halb acht. Der Späti an der Ecke hatte wieder laut die Hauptband des Abends laufen, das hatte ich ja vor fünf Jahren schon so schön beobachtet. Nur beim verpassten Yo-La-Tengo-Konzert nicht, oder? Vorm Laden (beziehungsweise der Einfahrt in die Einkaufspassage oder was das da darstellen soll) wie gehabt alles voll, aber nicht ganz so schwarz- und männerdominiert. Und die Anja schon winkend. Wer der Typ da neben Katharina war, musste sie kurz überlegen, hat dann aber mit Geschichten über Fotos von Klassentreffen und der unterschiedlichen Wahrnehmung über das eigene Alter und das der anderen aus derselben Generation gut ablenken können.

Der Einlass diesmal recht freundlich, geduldig wurde gewartet, bis alle Parameter soweit gestimmt haben, um das Abscannen der Eintrittskarte vom Handybildschirm zu ermöglichen. An die Treppe nach oben erinnere ich mich gar nicht mehr, aber oben sah es dann aus wie immer. Wie heißen diese Aufsteller mit den Spannbändern dazwischen, die einen ordentlichen Verlauf der Anstehschlange an der Garderobe gewährleisten sollen? Der Saal locker gefüllt, am Merchandise-Stand mäßig schicke Pullis für happige dreißig Euro und ein okayes Siebdruck-Poster für vierzig, das bei genauem Besehen sogar von allen vier Bandmitgliedern signiert war. Katharina überlegt noch. Bierchen, rumstehen und gucken, plaudern. Natürlich tauchten dann auch Jörg und Klaus auf, dicht gefolgt vom Axel. Lars hatte sich ja im Grunde auch angekündigt, kommt aber üblicherweise immer zu spät, da muss man vorm Beginn des Konzertes gar nicht gucken.

Vorband war die letztes Jahr schonmal fast als Vorband erwartete Band Big Joanie. Vier schwarze Frauen in klassischer Rockbesetzung, dann aber gar nicht den klassischen Punkrock produzierend, den man bei den Bandbeschreibungen erwarten dürfte, sondern mehr so einen nett dahinplätschernden Indierock. Musikalischer Schwachpunkt war in meinen Ohren und Augen das Schlagzeug, das unglaublich einfallslos und unnötig lasch gespielt wurde, mehr als Taktgeber war das wirklich nicht. Und laut wurde die Band halt auch nicht, wer schreit, hat unrecht oder so, aber die feministischen und antikapitalistischen Intentionen wurden zwischendurch ab und zu erklärt. Und ein Song war dann doch mal interessanter, da hat die Schlagzeugerin sogar mal verschiedene Rhythmen kombiniert und auch das eine oder andere mal mit etwas mehr Schwung auf die Trommeln gehauen. Gut möglich also, dass die Band gar nicht so schlecht klingt, wenn sie da mal ein Augenmerk drauf legen. (Die Marotte, Vorbands bei den Konzerten leiser und schlechter abzumischen, wird wohl auch noch ihren Teil beigetragen haben.)

Umbaupause. Die drei merkwürdig auf der Bühne herumstehenden Becken wurden in das Schlagzeug integriert. Und nachdem irgendwann das Saallicht wieder ausging, kamen die Mädels auf die Bühne. Die Mädels Anfang sechzig. Eine bebrillte, eine als Kim Deal erkennbare, und ein Schlacks mit Wollmütze, Hornbrille und Kaugummi. Und ein Mann fürs Schlagzeug. Ich habe in der ersten nicht die Zwillingsschwester Kelley erkennen können, irgendwie sah die Gesichtsform ganz anders aus, aber wir standen ja auf dem Tresen-Podest auch ziemlich weit weg von der Bühne und konnten gar nichts genaues erkennen. Später wurden alle vorgestellt, und spätestens da wars dann klar.

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Und dann haben sie mit viel Spaß eine reichliche Stunde einen bunten Strauß flotter Melodien abgeliefert. Vor allem die alten Sachen von »Last Splash« und »Pod«, aber auch ein paar neuere Sachen, mit Vorliebe vom allerneuesten Album »All Nerve«, das auch schon wieder mehr als fünf Jahre auf dem Buckel hat. Und das ich mir nun eigentlich endlich mal kaufen könnte. Kleine Plänkeleien zwischen den Geschwistern, ein paar Instrumenten-Wechsel, wenn Kim lieber mit der Akustik-Gitarre spielen wollte oder Kelley den Bass übernehmen musste oder doch noch ein paar Knöppchen gedreht werden sollten. Als letztes Stück eine kleine Überraschung, das Pixies-Stück »Gigantic«. Und nach der kurzen Pause noch zwei Songs, dann war Pumpe. Jubel und Gegröle im Publikum, aber doch deutlich weniger Gehopse als ich erwartet habe, auch ganz vorn in der Mitte. Lag vielleicht am Alter des Publikums?

Gänzlich unbeeindruckt von all dem Geschehen Bassistin Josephine Wiggs, von der man bis zum Schluss nicht so recht wusste, ob sie nun in echt angeödet war oder ob sie einfach unglaublich cool ist. Keine Miene verzogen, keine Bewegung zu viel, Kaugummi kauend die Band und das Publikum beobachtend, an ein oder zwei Stellen auf Hinweise von Kim hin an den Reglern eines kleinen Kästchens an ihrem Gürtel die Monitorboxen nachjustierend, für einen Song auch den Gesang übernehmend, am Anfang eine deutsche Begrüßung verlesend und am Ende die zu Papierfliegern gefalteten Setlists ins Publikum werfend.

Jörg hocherfreut, ich immer noch am diskutieren, ob das nun wirklich Kelley Deal war, Katharina auf dem Weg zum Merchandise, Poster abstauben. Auf dem Weg dorthin ist sie noch an Lars vorbeigekommen, das konnten wir auch von unserem Podest aus sehen, rübergeguckt hatter aber nicht. Der Saal leerte sich, Pläne über die gar nicht so verschiedenen Nach-Hause-Wege wurden erörtert, und das Prozedere am Merchandise-Stand zog sich offenbar unvermutet in die Länge. Nach einer gefühlten halben Ewigkeit kam Katharina doch noch mit ihrer Papierrolle an, und wir konnten los. Zum Klo, zur Garderobe, zur U-Bahn. Sind wieder auf den falschen U-Bahn-Eingang reingefallen, aber man kommt ja auch unterirdisch vom U7- zum U8-Bahnsteig.

Diskussion um gute und weniger gute Breeders-Alben, wer wo wann die Band schon gesehen hat und wer (Jörg) ein von Spacke signiertes Nomeansno-Poster zu Hause hat, weil ich ja fand, dass die Bassistin des Abends eine optische Schwester des berühmten und leider schon verstorbenen Dresdner Musikers war. Am Alexanderplatz trennte sich Spreu vom Weizen, und Katharina und ich sind dann noch vorm Späti gegenüber auf ein Bierchen und eine Tüte Chipse versackt. War ja noch vor Mitternacht.