1974–2024 Jubilee Compilation
Mein Geburtstagsgeschenk. Eine richtige Schallplatte, nur für mich. Ein einzigstes Einzelstück. Mit Aufnahmen drauf nur für mich. Von meinen Verwandten. Selbst ausgedachtes dabei, gelesenes dabei. Dickes silbernes Vinyl, schwarze gefütterte Innenhülle, Klarsichthülle mit Hype-Aufklebern, dazu ein Poster mit alten Fotos von mir, ein Aufkleberbogen und ein Kärtchen mit einem Download-Link, das alles in einer luxuriösen Box mit schwarzem Seidenpapier, Rausholbändchen und weißen baumwollenen Museumshandschuhen für den sorgsamen Umgang. Oh Mann.
including download code
and samples of legendary band tokyo
Das erste Stück gleich auf der A-Seite ist ein rotzfrecher Rap (Sagt man noch so? Oder tun das nur die Boomer? Zu denen ich ja gar nicht gehöre? Was aber auch schon wieder boomertypische Krümelkackerei ist?) von meinem Sohn Juri und meinem Neffen Willy, die sich hier szenetypische Pseudonyme zugelegt haben bzw. ihre eh schon vorhandenen Künstlernamen benutzen, um im Intro gleich mal ein Stück von meiner Band Tokyo zu verwursten. Der Song selbst amüsiert sich natürlich über meine als altmodisch empfundene Plattensammlerei und mein schon fortgeschrittenes Alter (So alt einfach. Wooow!), klagt mich aber auch meiner als unfair empfundenen Erziehungsmethoden an. Bestimmt lustig gemeint, Zwinkersmiley. Oder doch nicht? Das will ich doch hoffen. Die Jugend muss die Alten schließlich in die Pfanne hauen, verdient hammsies fast immer, da kann ich mich nicht ausnehmen.
Das zweite Stück ist ein Posaunen-Duett oder wie man da sagt, wenn zwei Leute zusammen zweistimmig ein Stück mit ihren zwei Posaunen spielen. Die Komposition stammt von Carl Maria von Weber und ist Teil der Oper »Freischütz«, die hab ich ganz früher™ mal in der Semperoper gesehen, als die frischeröffnet war, mit der Klasse oder mit der Familie? Gespielt wird es hier von meiner Schwester und ihrem Sohnemann, dem oben genannten Willy, der tatsächlich in der Schule Posaune gelernt hat und dann zu pädagogischen Zwecken von seiner Mutter begleitet werden sollte/wollte, so dass sie nun beide dieses Instrument (natürlich unterschiedlich gut) beherrschen. Klingen tut es sehr schön nach geradezu klassischem Jägergetute, das fand ich schon als Kind total schön, neben brausendem Kirchengeorgel war das immer mein liebster Sound aus dem mir sonst eher unverständlichen Klassik-Repertoire.
Das dritte Stück ist eine Eigenkomposition meines Vaters und beschäftigt sich ganz bestimmt mit dem zusammen hundertsten Geburtstag seiner beiden Zwillingssöhne. Hammwern überholt! Wie das wohl ist, wenn die Kleinen auf einmal so alt sind? Na, heißt ja Blues. Gespielt auf Klavier und Saxophon. Ein Bass ist auch noch zu hören, aber das ist bestimmt die geteilte Tastatur seines elektronischen Klaviers. Nacheinander aufgenommen? Wie macht an das allein zuhaus? Ach nein, das Klavier kann ja auch aufnehmen und abspielen, also kann man sich hinterher selbst begleiten und das dann in einem Rutsch mitschneiden. Dabei ist das laute Saxophon leider ein bisschen zu sehr im Vordergrund gelandet, macht ja doch einen ganz schönen Krach, so ein Blech, da kommt der Lautsprecher des Klaviers nicht ganz mit. Wenn man genau hinhört, kriegt man aber trotzdem mit, wie es da hinauf und hinab ging mit ihm und seinen zwei verblüffend unterschiedlichen Söhnen in den recht unterschiedlichen Phasen unseres Miteinanders.
Das vierte Stück ist das letzte auf der A-Seite und kommt von meiner Schwiegermutter, die hier – wer sie kennt, ahnt es schon – selbstgedichtete Verse vorträgt. Eine Ode auf mich, zu meinem Geburtstag natürlich vor allem auf die vergangenen Jahrzehnte zurückblickend, Lebenslauf quasi, vielleicht übernehm ich den überhaupt, wenn ich mich mal wieder irgendwo bewerben tu. Meine Besserwisserei krieg ich aber auch nochmal reingereicht, so solls sein, wäre ja unerträglich, wenn da nur Süßholz geraspelt würde, wer ungeniert austeilt, der steckt gefälligst auch ein. Bisschen flüssiger hätte der Vortrag ruhig sein können, aber ich habe ja mit meinem für ein solches Projekt doch recht kurzfristig geäußerten Wunsch den Leuten nicht übermäßig viel Zeit gelassen zum Üben. Nächstes Mal überleg ich vorher.
Das erste Stück auf der B-Seite ist ein weltberühmter Jazz-Standard, den ich vom Titel her zwar kenne, aber im Leben nicht erkennen würde. Am Klavier mein Vater, am Schlagzeug mein Neffe, was der ältere Sohn meines Bruders ist. Die Aufnahme ist herrlichstes Home-Recording-Niveau, schepperige Becken, brummelnde Bässe, und dahinter das klimperige Klavier, sowas findet sich bei Motorpsycho immer auf den Single-B-Seiten, ich bin aber auch geneigt, an Helge Schneider zu denken, zumal sich die beiden hier zunehmend in ein feines kleines Gejamme und Gespinne hineinsteigern, genau sowas hatte ich ja auch bestellt. Ich bin ja nicht die Oma, für die die Enkelein brav ein artiges Stück auswendig lernen sollen, sondern der coole Onkel, dem man mit ausgelassenen Humbug eine Freude macht. Dachte ich jedenfalls immer. Tja.
Das insgesamt sechste Stück ist als Kontrastpunkt ein sehr sauberes Schlagzeug-Solo von meiner Tochter, eingespielt und aufgenommen mit ihrem elektronischen Schlagzeug, das in unserer Wohnung herumgereicht wird und entweder im Wohnzimmer oder in Juris bzw. dem Kinderzimmer im Weg herumsteht. Emmas Kammer ist ja zu klein, mehr als ein Sofa und ein Schreibtisch passen da nicht unters Hochbett. Viel mehr als eine Aneinanderreihung von akademischen und zum Teil recht komplizierten Übungen aus der Musikschule ist es nicht geworden, Erfahrungen im Selbermachen, etwa als Bandmitglied, hat sie noch nicht sammeln können. Aber das hat ja noch Zeit, ich hätte in dem Alter auch noch nicht aus mir herausgekonnt. Ursprünglich hatten sie wohl etwas anderes geplant, ein Duett mit ihrer Mutter womöglich, irgendwas wollten sie covern, sind damit aber nicht zurande und/oder zusammengekommen und haben in der Zeitnot nun diese Übung eingereicht.
Das siebente Stück ist eine Kollaboration meiner Nichte mit ihrem Vater Paul. Sie am Keyboard, er am Schlagzeug, und das klingt orginahl wie eine Jam-Session professioneller Free-Jazzer. Luise sitzt im Rollstuhl und kann ihre Hände nur schwer koordinieren, findet hier aber immer wieder schöne schräge und abwechslungsreiche Tastenkombinationen, die von Pauls rappeligen Jazz-Schlagzeug zusammengehalten und offenbar auch gelenkt werden, ich bilde mir jedenfalls ein, da eine Interaktion herauszuhören. Ich hatte ja immer Schwierigkeiten, mit ihrer Behinderung umzugehen, und habe deswegen Abstand gehalten und staune also neuerdings an etlichen Stellen. Zum Schluss eine ihrer typischen Artikulationen, die ich schlecht deuten kann, aber einfach als zufriedenes »Das war cool, Papa, aber jetzt reichts« interpretiere.
Mit dem achten Stück hat meine Mutter mal wieder das letzte Wort, indem sie einen Strittmatter-Text vorliest. Einen seiner sehr schönen kürzeren Texte, von denen es verschiedene Sammlungen gibt, und die ich (so wie meine Mutter auch) eigentlich noch besser finde als seine ebenfalls sehr schönen Romane. Hier also eine nüchterne Beschreibung, wie er von einer einsamen Fliege geärgert wird, die ihm regelmäßig den Mittagsschlaf vermiest, so dass er ihr planvoll ans Leben will, die sich aber trotzdem partout nicht überlisten lässt. Wobei nüchtern: lauter poetische Formulierungen und lyrische Beobachtungen, in allem ein sanfter Humor, durchaus selbstironisch, fast schon satirisch. Schön, dass mir meine Mama immer noch was vorliest. Lieg ich etwa schon im Bett?
strictly limited & hand-numbered
Das Cover spricht Englisch. Die Hintergrundstruktur soll graues Haar darstellen und erinnert nicht nur mich ein wenig an unseren Wolfshundzausel Alana. Die Gestaltung des Covers und all des schicken Drumherums stammt natürlich von meiner Holden, die macht sowas schließlich beruflich. Naja, das Herumstöbern in anderer Leute Schreibtischen, um alte Ausweise zu finden und heimlich abzufotografieren, sollte eigentlich nicht dazugehören. Aber was tut man/frau nicht alles, um seinem muffeligen Lebensabschnittsgefährten eine Freude zu machen …
Tracks
- Krischis Platten 24
- Jägerchor
- 100-Blues
- Zwischenruf
- The Girl From Ipanema
- Solo
- N° 2
- Der Tod Meiner Fliege