17 von den Künstlern handverlesene Titel
Was da zunächst wie ein weiteres völlig unnötiges Popalbum von Tocotronic aussieht, ist in Wirklichkeit eine dieser komischen Compilations, wo Musiker ihre Lieblingssongs zusammenstellen und deren Bedeutung fürs eigene Leben und das Kunstschaffen kommentieren, auf dass … ja wieso eigentlich? Interessiert sich der gemeine Tocotronic-Fan dafür? Hört der nicht ohnehin, wo die Einflüsse liegen? Mag der die meisten Sachen dann nicht sowieso auch und kennt sie schon und braucht solche CDs also nicht?
Naja, nicht unbedingt. Denn was hier versammelt ist, springt einem beim Gedanken an Tocotronic nicht unbedingt sofort ins Ohr: Technopop mit deutschen Texten, Sonic Youth mit einem poppigen Stück*, ein Pavement-Schrammelpop-Abklatsch in lang und schön schräg und auch ein bisschen sonicyouthig, minimalistischer Dudelpop auf deutsch, Sixties-Beatpop, Schmalzschnulz alla Sinatra, Tocotronic-Mitschüler aus der Hamburger Schule, ethnologisch angehauchter Retropop, original Garagenpop, der gar nicht so wild klingt wie das Cover von Sonic Youth, Schmalzschnulz aus der Schlagerecke, der aber auch von All-Tomorrows-Parties-Indie nicht so weit weg ist, Indiepop mit Synthie, psychedelischer Pop ohne Beats, katastrophal schiefer Schlager-Quatsch, folky Gitarrenpop mit langen mehrstimmigen Gitarrensoli, glammiger Siebziger-Retroschnulz, Oldschool-Punk ganz ohne Pop …
Und ganz zum Schluss handgemachte Technobeats, die angeblich von der Band Tocotronic selbst stammen. Na kann schon sein, nach den ersten drei Platten hab ich die ja nicht mehr weiterverfolgt, weil ich einerseits den Wechsel hin zum Pop dämlich fand und andererseits keine vierte Platte gleichen Musters mehr benötigte. Ach nee, ich hab ja vier. (Und das Stück stammt, wie man im Booklet nachlesen kann, auch gar nicht aus späteren Poptagen.)
Und gemeiner Tocotronic-Fan bin ich auch nicht. Schätze die Band aber aus irgendeinem Grunde doch. Jedenfalls höher als all die anderen Hamburger Schulkasper.
* Hier kann ich klar sagen, dass diese Band wirklich mein Leben verändert hat. Nachdem ich Sonic Youth das erste mal gesehen und gehört habe, wollte ich Gitarre spielen, und zwar auch genau die gleiche wie sie, die Jazzmaster. Bis dahin war ich Schlagzeuger, und es war mir auf einmal klar, dass man zum Gitarrespielen keine Akkorde lernen muss, und dass große Kunst oft aus der Not des Nichtkönnens entsteht. Bei »Schizophrenia« hört ihr vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit zu unserem Werk »Dark Star«. War kein Zufall.
Tracks
- Was Ist Musik
- Schizophrenia
- No More Shoes
- Scheusalstage
- Washington DC
- Young And Beautiful Bandit
- Ich Weiß ja Wer Du Bist
- Leaf House
- My New House
- Shock Me
- Diese Schmerzen Musst Du Teilen
- Liebeswehen 2
- Ballade Von Struppi
- Impossible Germany
- Hello It’s Me
- Minuteman
- Muzik