die anderen bands
Das war ja ein gängiger Schubkastentitel in den letzten Jahren der DDR, als es nach Glasnost und Perestroika auf einmal auch hierzulande möglich wurde, andere Musik zu publizieren als Inka und Olaf Berger. Und damit man nicht die sonst im Musikgenrewesen üblichen, aber leider englischen Label dranpappen muss, wurde das alles unter dem Namen »anders« zusammengefasst. Und in meiner Erinnerung durchaus auch von den Protagonisten selbst so benutzt: man wollte sich ja nicht so eindeutig einer festgelegten Gruppe zuordnen, das hatte man ja schon von früh bis spät und bei den Pionieren und der FDJ, sondern lieber ganz frei von der Leber weg was eigenes machen, Hauptsache irgendwas anderes als die anderen. Passt schon.
Diese Platte kam sogar noch eher raus als die andere, nämlich schon 1988. Das war sozusagen die Initialzündung in die Richtung. Wusste ich gar nicht. Ich kannte sie aber auch aus der Bibo. Erinnern kann ich mich – ich wundere mich jetzt – trotzdem nur an wenige Sachen:
Die drei Sachen von Feeling B natürlich ausgenommen, die sind fast genau so dann auch auf ihrer ersten Hea-Hoa-Notausgangs-Platte gelandet, die ich oft und gern gehört habe und auch heute noch ab und zu auflege. Fröhlicher Punkrock mit Synthi und witzigen Einfällen abseits sturen Gekloppes, angereichert mit Blechbläser-Arrangements. Alles ist so unununheimlich dufte!
Die drei Sachen von Hard Pop sind ehrlich gesagt nicht besonders. Blasierte Stino-Streber mit Talent und Ambitionen, recht einfallslos runternudelnd. Schräges Saxophongetute allein machts auch nicht. Im Grunde das genaue Gegenteil von Feeling B. Ich küsse mir die Angst vom Mund im schönen deutschen Wiesengrund.
Die drei Sachen von Sandow sind hier nochmal ganz anders als die späteren. Hier gibts noch nicht mal den Party-Rock der ersten Platte, sondern mit überdeutlichem Gesang und schon wieder Saxophon verosteten Funk-Rock, vielleicht auch durch die recht lasch aufgenommenen Gitarren fast genauso so schlimm wie das Hard-Pop-Zeug davor. Nee, die Szene-Hymne ist dann doch schon schön. Er ist anders als all die andern und er will auch anders sein.
Die drei Sachen von WK 13 erschrecken mich erstmal mit achtzigerjahremäßigen Disko-Beats. Beim auf einmal rockigen Refrain des ersten Stücks dann wieder funky Stilelemente: das mit dem Rap war der heiße Scheiß damals. Sonst aber mehr Synthi und Beats aus der Maschine. Und natürlich Saxophon. Das letzte Stück hab ich immer wieder im Ohr, auch wenn ich es seit Jahrzehnten nicht mehr gehört habe und es mir musikalisch eigentlich gar nicht so liegt, aber es ist in meinen Ohren immer noch der perfekte Soundtrack von Langeweile und Trägheit an Sonntagsnachmittagen. Sonntag, aus der Uhr tropft Blei. Sonntag, im Kopf klebt rosa Brei. Aber he: am Ende wirds ja dann doch noch kurz kräftig rockig. Nu guck.
Aus meiner heutigen Sicht scheint mir das ja irgendwie typisch zu sein für die Musik der Zeit damals: das ewige Saxophon, funkige Beats, agitierender Gesang. Und auch die Texte wirken ja immer ganz schön naiv. Vielleicht hab ich ja schon den typischen Wessi-Blick auf die Ost-Musik. Nee: den Blick eines reiferen Herrn auf jugendliche Befindlichkeiten. Aber obwohl mir vieles auf einmal gar nicht mehr so richtig gefällt, befällt mich doch ein ganz merkwürdig heimeliges Gefühl beim Hören der Platte. Ist das Nostalgie? Oder nur Erinnerung?
Im übrigen hab ich die Platte zweimal kurz hintereinander gekauft. Der erste Verkäufer bei discogs.com hatte sie auf einmal doch nicht mehr auf Lager, sich wortreich dafür entschuldigt und die Paypal-Zahlung rückgängig gemacht. Was mich auch sehr erleichtert hat, da ich zwischenzeitlich bei einem Blick auf sein Nutzer- und Verkäuferprofil erkennen musste, dass er in erheblichem Maße mit Nazimusik handelt. Außerdem hat er während der Verkaufsabwicklung mehrere unterschiedliche Namen verwendet, die aber alle dieselben Initialen hatten. Merkwürdig. Wenige Euro mehr, dafür aber versandkostenfrei von meiner Liebsten auf dem Weg nachhause in Kreuzberg abzuholen dann wenige Tage später der zweite Kauf ohne Irritationen. Musste ich nur noch zehn Tage warten, bis Paypal die Rückzahlung endlich freigegeben hat.
Tracks
- Artig
- Alles Ist So Dufte
- Geh Zurück In Dein Buch
- Grau
- Tote Ballerina
- Angst Vorm Mund
- Wir?
- Fliegen
- Er Ist Anders
- P 2
- Asphalt
- Sonntag