The Tower

Band
Motorpsycho
Format
2 LP
Jahr
2017
Label
Stickman
Kennung
PSYCHOBABBLE 093
Zusatz
Cover ist Faltblatt

Krischan am

Da gabs doch noch diese eine Band, die mir lange Zeit die wichtigste oder doch zumindest weit vorn in der Top-Five war …

Aber ein Merkmal von Motorpsycho war ja immer, alle paar Jahre das musikalische Genre zu wechseln, sobald es hinreichend durchprobiert war. Jetzt vielleicht nicht komplett das Genre, da sind sie schon prinzipiell beim Rock geblieben, aber doch das Subgenre: von Metal zu Alternative zu Psychedelic zu Sixties-Beat zu Hard-Rock zu Country und so weiter. Und das jedenfalls macht es dem Fan dann doch nicht einfach. Denn der ist da ja gern ein bisschen festgelegter. Und als dann nach dem Jahrtausendwechsel irgendwie alles im Hard-Rock stecken blieb, hab ich die Band aus den Augen verloren. Einmal hab ich noch eine Platte gekauft, die mich dann aber nicht wirklich überzeugt hat. Aber die älteren aus den Neunzigern hab ich mir immer mal wieder gern aufgelegt.

Und jetzt wieder viel Lob für das neue Album in den Medien, und heutzutage ja die Möglichkeit, sich vorher im Internet ein Bild zu machen beziehungsweise einen Ton, und siehe da, ich fands mal wieder so richtig gut: kurze Songs, lange Songs, sehr lange Songs, leise Stellen, meternde Gitarrenwände, luftige Arrangements, knarzende Verzerrer, schwebende Keyboardklänge, schöne Melodien, merkwürdige Disharmonien, gniedelnde Soli, mäandernde Strukturen, einfache Schemata, verrückte Breaks, mehrstimmiger Hawkwind-Gesang, mitreißende Refrains, verträumtes Säuseln … – es ist fast alles drin, was sie je gemacht haben, aber es passt alles zusammen. Und der neue Drummer ist wirklich der Hammer. Geijell!

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Nach den ersten vier Songs lässt es ein bisschen nach, für mein Gefühl. Andererseits tut eine Pause nach einer halben Stunde Breitwand-Progrock auch nicht schlecht, akustisches Geklampfe mit freundlichen Streichern und nettem vielstimmigem Gesang von fast schon kurz zu nennenden dreieinhalb Minuten, bevor es dann gleich wieder losrockt. Aber ganz so hymnisch wie am Anfang wird es auch danach nicht mehr. Oder? Ja, schon, aber die viertelstündige Pazifik-Sonate mit dem kitschigen Anfang zum Beispiel hat dafür ganz andere Qualitäten, das letzte Drittel etwa ist ein ganz unerwarteter Ausflug in jazzigen Postrock. Der Kuckuck hat eine herrlich eintönige Nervstelle mit monoton abgestoppter Rhythmus-Gitarre und parallel zum Gesang laufender Melodie-Gitarre, und auch das letzte ebenfalls eine Viertelstunde lange Narrenschiff mit seiner Spieluhrmelodie entwickelt sich mit der Zeit. Und die Flöten im Traumhaus sind im übrigen erstaunlich unpeinlich.

Das wächst auf jeden Fall alles noch mit jedem Hören, soviel kann ich schon sagen, nachdem ich inzwischen mehr als ein Dutzend Platten dieser Band kenne.

Das Cover scheint ein auf den ersten Griff recht schlabberiges und nicht ordentlich zusammengeklebtes Klappcover zu sein, ist in Wirklichkeit aber ein doppelt gefaltetes quadratisches Poster aus dickerem Karton, in das die Innenhüllen quasi nur eingeschlagen sind. Die Außenseite zeigt ein renaissancig anmutendes Bild vom Turmbau zu Babel, dessen grober Pinselstrich aber auf die heutige Zeit verweist, die silbrige Innenseite listet die Songtexte und all die anderen Informationen auf, die eben in eine Platte hineingehören. (Reflektierende Oberflächen scannen sich ja immer schlecht ein, deswegen die komischen Kanten mitten in den Innenseiten-Bildern, da war ich zu faul, die Farbtöne ordentlich über die ganze Fläche anzupassen.)

Ich seh grad, dass sie am 10. November letzten Jahres im Festsaal Kreuzberg gespielt haben. Verdammt! Wieso war ich da nicht? Ich könnte mir doch schon wieder in den Arsch beißen. Irgendwie muss ich mir mal eine Möglichkeit schaffen, sowas vorher mitzukriegen. Wird im Internet irgendeine Variante geben …

Tracks

  1. The Tower
  2. Bartok Of The Universe
  3. A.S.F.E.
  4. Intrepid Explorer
  5. Stardust
  6. In Every Dream Home
  7. The Maypole
  8. A Pacific Sonata
  9. The Cuckoo
  10. Ship Of Fools

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