Der Tod geht um

Haariges unter der U-Bahn

Krischan am

Meine Lieblings-Metal-Band von vor zwanzig Jahren (Obwohl: seinerzeit hab ich eigentlich Pantera und Sepultura lieber gehört. Aber in letzter Zeit ist Obituary meine erste Wahl, wenns mal wieder richtig bösartig metern soll.) war im Bi Nuu, und ich hab tatsächlich eine ganze Weile überlegen müssen, ob ich da hin will. Ist das denn live auch toll? Muss ich nicht am nächsten Tag arbeiten? Interessieren mich die ganzen Vorbands? Ist das nicht albern anachronistisch, die alten Sachen nochmal abzuklappern? Und überhaupt, immer diese Haare. Aber Juri hat sofort gesagt, das sei toll und ich müsse hingehen, als ich meine neueste Platte von denen (von 1994!) aus meinem Regal geholt und aufgelegt habe. Also los.

Als ich noch vor neun am desinteressierten Einlass meine 22 Euro losgeworden bin, empfing mich im Saal eine dichte heiße Duftwolke aus Männerschweiß, nassen ungewaschenen Haaren und carnivoren Fürzen und gab mir einen feuchten Tritt in die Magengrube. Es war bereits gut gefüllt, auch der Nebensaal mit Bar und Sitzgelegenheiten, der beim letzten Mal gar nicht zugänglich war, stand offen, und eine der Vorbands war am lautstarken werkeln: klassischer Death-Metal, irgendwo bei Benediction (dacht ich erst) und Deicide (fand ich später bestätigt), rasend schnell und gut gespielt, aber auch abwechslungsreich und interessant umgesetzt. An eine meiner tschechischen Metal-Platten fühlte ich mich auch immer wieder erinnert, darf ich das so sagen? Der dicke Sänger mit Lederweste, Kapitänsbart und Hippiebrille genügte diversen Klischees und grunzte zwischen den Songs ein ums andere Mal ein friedhöfliches »Danke schön. Vielen vielen Dank.« Der Basser sah aus wie der eine gutpigmentierte Viva-Moderator, nur mit Rastas bis zum Arsch. Dehuman Reign aus Berlin war das übrigens. Vielleicht hätte ich mir doch die Platte holen sollen?

Meine Vermutung, dass ich zwar nicht als alter Sack beäugelt werden würde, wohl aber wegen meiner szeneuntypischen Aufmachung (graue Popelinehose und geblümtes blaues Hemd), hat sich nicht offensichtlich vor meinen Augen bestätigt, aber was weiß ich schon über die Tuscheleien hinter meinem Rücken? Bei Mättlern gehts aber eigentlich immer nett zu, je finsterer die Musik, desto netter die Hörer, und dass fast alle anderen Anwesenden der Meinung anhingen, ihren Musikgeschmack auch in die Klamottenauswahl einfließen lassen zu müssen, hat ja durchaus auch seine unterhaltenden Seiten: Jeanswesten, die unter einer Armada von Aufnähern versteckt sind, T-Shirts mit großflächigen Aufdrucken zum Gruseln, Tätowierungen und natürlich lange Haare in allen Formen, Farben, Reinlichkeitsstufen und Längen. Und sah ich nicht vor zwanzig Jahren ziemlich genauso aus? Jaja, so wars damals.

Nach einer Umbaupause gings auf einmal los mit der Hauptband; die erste Vorband (Requital, auch aus Berlin) hatte ich offenbar komplett verpasst, die hat wahrscheinlich ganz brav und ankündigungskonform um acht angefangen. Sodass die Urgesteine des floridanischen Death-Metals zu angestelltenfreundlichen Zeiten auf die Bühne marschieren konnten. Gespielt haben sie vor allem Sachen der ersten drei Alben (von 1989 bis 1992), also mehr als zwanzig Jahre altes Zeug. Dafür fahren die alten Männer mit ihren gepflegten Haaren nach Europa? Zwei mir unbekannte Sachen gabs auch, aber ob die von einer der neueren Platten waren oder erst noch veröffentlicht werden sollen, hab ich vergessen. Der Sound war erstaunlich gut, nur den albernen Effekt auf der Snare fand ich albern, ein bisschen auch die Idee, alle Becken (waren das sechs oder mehr?) waagerecht aufzuhängen. Die Stimmung war prima, gleich zu Anfang hielt mir eine Schnatze mit wackelnder Hand ein Handy vor die Nase, um die Band abzufilmen, immer wieder gabs rhythmisches Anfeuern, wenns mal wieder so richtig fies und langsam groovte, und gegen Ende kam einer nach hinten getorkelt, weils seine Nase schwer erwischt hatte. Stagegedivt wurde auch. Und der Abschluss war der Titelsong des ersten Albums.

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Jetzt hatte ich ja gehofft, einige der Alben, die sich noch nicht in meinem Regal finden lassen, günstig vor Ort erwerben zu können, aber Pustekuchen, großflächig bedruckte T-Shirts zum Verkleiden gabs, und damit hatte sichs.

Und mal ehrlich: warum müssen die dort übel schmeckendes Astra-Pils vom Fass ausschenken? Weil das Logo so schön ist? Als Alternative gibt es Carlsberg aus der Flasche, das aber auch nicht viel besser schmeckt und für denselben Preis weniger Inhalt liefert. Wollen die mir nur beim Geldsparen und Leberschonen helfen? Danke. Nett.

Gegen halb zwölf war die Straßenbahn rückzus natürlich wieder deutlich voller als drei Stunden vorher auf dem Hinweg. Und die Straßen im Prenzelberg nahezu verlassen, erst recht im Vergleich zu Kreuzberg und Friedelhain.