Ach ja

Ich war ja letzte Woche auf einem Konzert.

Krischan am

Bill Callahan mal wieder. Hatte ich mir in der Songkick-Liste als interessiert angehakt, und als ich eine Woche vorher nochmal nachgeguckt habe, war natürlich schon alles ausverkauft. Im Grunde hatte ich aber auch damit gerechnet, dass ich mich gar nicht kümmern muss, sondern einer der Dresdner oder Ex-Dresdner oder Ex-Schwedter sich meldet von wegen Ticket übrig, willste nicht mitkommen. Das passierte dann aber auch wirklich genau einen Tag später, so dass mein Plan doch noch aufging, mal wieder schön ohne Eigeninitiative irgendwo mitlatschen zu können. Bin ja nicht der große Fan, aber ein paar Sachen von Smog, ein paar mittlere und auch die letzten, die sind gar nicht so schlecht, und jetzt hab ich auch nochmal in die Sachen reingehört, die er nun unter seinem richtigen Namen macht, und da ist auch viel schönes bei. Ticketpreis eigentlich ein bisschen über dem, was ich für angemessen gehalten hätte, aber so ist das halt heutzutage.

Dann wurde noch ein Versuch gestartet, mir das digitale Ticket auf direktem Wege zukommen zu lassen, aber bei Ticketmaster geht das nur, wenn beide Beteiligten dort registriert sind, und da ich das einerseits wider Erwarten gar nicht war und die Heinis dafür andererseits sowohl meine E-Mail-Adresse als auch meine Telefonnummer abgreifen wollten, obwohl die Telefonnummer ja nun wirklich nicht notwendig ist für den Kauf eines Tickets, da hab ichs dann gelassen und Jörg hat sich auch entschuldigt, dass er mir mit so einem Ansinnen auf die Pelle rücken wollte. Wir treffen uns einfach vor dem Laden und gehen zusammen rein.

Ich hatte dann am späten Nachmittag im Internet gelesen, dass die Türen halb acht offen wären, also hab ich mich nach einer flotten Stulle um sieben auf die Socken gemacht. Auf den ersten Stufen im Treppenhaus dann schon der erste Anruf, wann denn mit mir zu rechnen sei, die Sitzgelegenheiten im Saal wären schon proppevoll und man wölle nun rein. Nanu. Aber halbe Stunde würde ich wohl noch brauchen. Na dann käme später noch jemand raus, um mich mit reinzulotsen. Straßenbahn zum Alex kam gleich, aber der Bus, mit dem wir neulich schon bei den Norwegern waren, ließ wieder auf sich warten, Pause und so, das kennen wir ja schon. Also hats doch ein bisschen länger gedauert, aber die Kirche an der Bergmannstraße, in der ich noch nicht war, hab ich dann gleich gefunden, davor noch ein bisschen Leute, in den Cafés und Restaurants drumrum deutlich mehr, und auf meine Nachricht hin kam der Klaus raus und nahm mich mit rein. Die anderen hatten fast alle Sitzplätze abbekommen, ich blieb neben dem Tresen an einer Wand stehen und hab mir die schicke Kirche und die Leute im Publikum und den Mann vom Vorprogramm angeguckt.

Die Kirche ist ein schmucker neoromanischer Bau mit dickem Turm in der Mitte, alles geklinkert, die Steine aber mit unterschiedlichen Profilen und die Säulen und Kapitellen mit einfachen Ornamenten. Rundbögen, runde Fenster, weißgekalkte Wände als Kontrast. Ein großer bunter Glasteller als Kronleuchter. In den Sitzreihen keine betenden Gläubigen, sondern Publikum unterschiedlichen Alters und von unauffälligem Äußeren, einige auch auf dem Weg zum oder vom Tresen, man muss ja was trinken, wenn man Musik sieht und hört. Die Akustik des Saals erstaunlich gut, der Musikus mit seiner Gitarre und seiner Mundi eigentlich unerhört leise, aber trotzwohl sehr gut verständlich. Die immer wieder zu Boden klackernden Flaschen des durstigen Publikums waren ebenfalls sehr gut zu hören.

Mit der Musik konnte ich nicht viel anfangen, Liedermacherkram aus Amerika, wie es ihn vermutlich mindestens dutzendfach gibt, begleitende Gitarre ohne Raffinesse, Gesang in erwartbar sparsamen Melodien, Vortrag ohne Emotion, Texte offenbar auch nicht überwältigend lustig oder tiefergehend philosophisch. Dabei aber auch nicht so lofi und minimalistisch, dass es wieder punk sein könnte, sondern einfach komplett uninteressant. Freundliche Lacher zu seinen Ansagen, die ich fast gar nicht verstand (weder die Ansagen noch die Lacher), der Typ mir im Grunde latent unsympathisch. Aber manch einer fands gut und applaudierte und johlte und wünschte sich lauthals konkrete Stücke, weil sie in vorherigen Konzerten als ebenfalls Vorprogramm von Bill Callahan so einprägsam waren.

Dann endlich Pause. Die üblichen Verdächtigen fanden sich ein, und weil die Musik so nett ist, waren bei allen auch die Frauen mit. Außer meiner, aus demselben Grund. Begrüßung und Unterhaltungen, Kinder und Urlaubspläne, dies und das. Und Erörterungen über vergangenen Bill-Callahan-Konzerte, bei denen die beiden von mir bisher besuchten durcheinander- bzw. zusammengeschmissen wurden, denn Jörg war ja noch nie im Astra, sondern das wo ich wegmusste war im Heimathafen, und blonde Vorfrau oder Alasdair Roberts war ganz bei einem anderen Konzert. Oder so. Aber nicht nur auf meiner Website konnte man das ja nachlesen, sondern teilweise auch bei Klaus. Weil ich hab nämlich recht. So, hätten wir das geklärt.

Dann kam Herr Callahan auf die Bühne und setzte sich auf seinen Stuhl, graues Haar und grünes Hemd, in der Hand eine graue Telecaster, vor sich eine Hihat und ein Mikro, neben sich einen Verstärker, mit dem anderen Fuß hat er offenbar irgendwas bassdrumartiges bedient, so dass auch er nicht so ganz alleine mit seiner Gitarre war. Und gespielt hat er dann seine ebenfalls sehr sparsamen und sparsam instrumentierten Songs, aber hier hat das funktioniert, da gabs auch mal lautere oder schrägere Passagen, unvermutete Wechsel, aber auch monotone Längen, Strophe-Refrain-Schema kann, aber muss nicht, dazu der nicht auf Wohlklang getrimmte Gesang und eben die sonore Bariton-Stimme, die all das Elend, das er da besingt, direkt vermitteln kann. Oder was singt er da? Bisschen sarkastisch scheint mir das auch zu sein. Neuere Sachen, die mir nicht geläufig waren, aber ebenso älteres Zeug aus der Smog-Ecke, das mitunter aber recht anders klang als auf Platte.

Das Publikum wieder sehr enthusiastisch, aber nicht ganz so heldenverehrend wie beim letzten Mal. In der ersten Reihe direkt am Mittelgang und von den Scheinwerfern noch schön mit hervorgehoben ein Tüpi im knallbunten Hemd, der eifrig mit dem Kopf mitgenickt hat, in einer Intensität, die der stillen Musik überhaupt nicht angemessen ist, und gern in einem ganz anderen Takt als die Musik auf der Bühne. Er musste das sehr stille Stillesitzen der vielen anderen Sitzenbleiber aber auch auszugleichen versuchen, ich verstehe das. An der Seite der Bühne, von meinem Platz neben den Sitzbänken gut zu sehen, ein weiblicher Fan, der mit spitzen Lippen mitsang. Das sah auch nicht schön aus, fand ich aber ebenso verzeihlich. Das viele Rumgerenne der Leute, die ihre Getränke wieder zurückbringen mussten und dabei weiter mit den Flaschen herumkullerten, dagegen nicht. Aber sie haben sich Mühe gegeben, das nur während der Pausen zwischen den Songs zu machen. Trotzdem gabs Schimpfe von Bill, der meinte, das sei hier eine Church, Shame on you.

Im übrigen wurde der Kirchensaal mit der Zeit recht warm, die vielen Leute sind ja doch eine gute Heizung, und eine clubmäßige Belüftungsanlage hats in der denkmalgeschützten Kirche natürlich nicht. Ich war also fast am Überlegen, ob ich mir nicht doch auch noch ein Bierchen holen sollte. Aber dann wars nach anderthalb Stunden auf einmal schon fertig, er kam nach wenigen Momenten des tosenden Applauses nochmal raus und spielte einen einzigen Song als Zugabe, und im folgenden Applaus dann gingen die Lichter an und man verstummte. Sammlung der Massen um den Merchandise-Tisch. Es gab vor Ort individuell bemalte/bezeichnete Shirts für 45 Euro, ein Beispiel konnte ich aber nicht begucken, und wer war das überhaupt, der die da bemalt hat? Die neueste der Platten war schon ausverkauft, weil Jörg und Begleitung die letzten beiden schon vor Beginn des Konzertes ergattert hatten. Für deutlich weniger als man beim Online-Handel berappen muss. Soso. Man kann auch hamstern dazu sagen, Freundchen.

Draußen haben wir uns dann in eine Kneipe verabredet, die näher an den Wohn- und Schlafstätten gelegen ist, die einen haben das Auto dahin chauffiert, die anderen sind zur U-Bahn gelaufen, in der Straßenbahn durfte ich dann sitzen, ich hatte ja schon das ganze Konzert gestanden, und nach zweimal umsteigen und um drei Ecken laufen waren wir im Alois S., wo trotz des Freitagabends gar nicht (mehr?) viel los war, kaum Leute, aber etliche Bedienstete, die Reserviert-Schilder auf den Tischen offenbar nur Deko, wir durften uns einen aussuchen, und trotzdem haben wir bei jeder Bestellung erstaunlich lange warten müssen, bis das Bier und der Wein und der Käse dann auf unserem Tisch standen. Die Zeit verflog, alle hatten was zu erzählen, ich habe alle Sorten Fassbier gekostet, die sie da ausschenken (drei), ich hatte schließlich Durst, weil ich ja vorher beim Konzert gespart hatte, und auf einmal wars um eins und es lief die Rausschmeißermusik, die von den Angestellten an ihrem Feierabendtisch laut mitgesungen wurde: Münchner Freiheit, alles was ich will, bist duuu. Auweia, wir waren auch wirklich die letzten und haben schnell bezahlt.