Helmpflicht

Betty ist 20 Jahre alt geworden.

Krischan am

Ums gleich mal vorwegzuschicken: ich war gestern das erste Mal in meinem Leben im SO36.

Dabei hat Helmet dort vor zwei Jahren schonmal genau dasselbe wie gestern gemacht, wie ich gerade lese, nur mit dem noch viel besseren Vorgänger-Album »Meantime«: zum zwanzigjährigen Jubiläum der Platte alle Lieder in Originalreihenfolge runterdudeln und im Anschluss noch anderes Zeug spielen. Hatte ich wohl nicht mitgekriegt. Oder hatte ich nur mal wieder keine Lust? Kann mich nicht erinnern. Was ja doch eher für die erste Alternative spricht.

Gestern hatte ich aber Lust: hab vorm Abendbrot nochmal reingehört in die »Betty«, und Emma fands auch gleich zum hüpfen. Die Platte hab ich ja damals zum Zwanzigsten Geburtstag bekommen, vom Micha, mit dem ich zusammen die Tischlerlehre im Theater gemacht hab. Hatter eine Zahl aus Schrauben zusammengesetzt und mit Klebeband auf das Paket geklebt, wovon jetzt noch Schrammen und Dellen im Cover zu sehen sind. Hat mich damals mächtig geärgert, heute erinnerts mich aber an ihn. Siehste.

Jedenfalls war ich rechtzeitig da, nicht weit nach acht, und bin gleich reingestiefelt: nur das Seitenpodest des albern in die Länge gezogenen Saals war spärlich besetzt, aber in der nächsten Stunde wurde es nach und nach und ab etwa neun dann immer rasanter immer voller. Und nach neun gings dann auch schon los. Mit »Wilma’s Rainbow«. Und einem allgemeinen Kopfnicken des Publikums. Und den folgenden dreizehn Songs des Albums: fetter Rock, irgendwo zwischen Alternative, Metal und Post-Hardcore. Abgestoppte Gitarren in stoisch wiederholten Riffs, rhythmische Verschiebungen, groovendes Schlagzeug und intensiver Gesang, die Grenze zum Brüllen immer wieder überschreitend. Und zwischendurch ab und zu mal etwas Noise.

Nach dem Abspulen der Platte wurde die Band vorgestellt: wobei Page Hamilton sich selbst aber unerwähnt ließ, der berechtigten Meinung, dass ihn im Publikum sowieso jeder kennt, die über die Jahre ständig wechselnde Restband aber nicht unbedingt. Und dann sprach er auf einmal zwar mit deutlichem Akzent, aber problemlos fließend deutsch. Er hätte ja früher mal hier studiert. Und dass er sich freue, wieder in Berlin zu sein, und dass sie nun noch Spaß haben wollten, später würden sie auch noch saufen gehen, das wäre hier immer so schön da in der Kneipe gegenüber, aber jetzt erstmal wollten sie noch ein paar Sachen von »Strap It On« und »Meantime« und »Aftertaste« und so spielen.

Was sie dann auch flugs und ohne größere Unterbrechungen in die Tat umsetzten: die erste Zugabe endete mit einem grandiosen »In The Meantime«, die zweite nach insgesamt mehr als zwei Stunden ordentlichen Gemeters leider nicht mit »Born Annoying«, das Stück haben sie glaubich gar nicht gespielt, aber so genau kann man das eigentlich gar nicht wissen, denn: »Ich glaub, ich weiß schon, wie das nächste Stück ungefähr klingen wird« sagte schon zwischendurch mal der eine Witzbold am Tresen ganz verschmitzt zu dem anderen Spaßvogel. Von wegen »It’s so easy to get bored.«

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Von den neueren Platten, die erst in diesem Jahrtausend nach der langen Pause rausgekommen sind und von denen ich ja nur eine habe, war im Übrigen fast nichts dabei: ich erinnere mich nur an zwei Songs, die ich nicht kannte.

In Kreuzberg ist um Mitternacht natürlich noch schick was los: überall sitzen und stehen und essen und trinken sie auch in der montäglichen Nacht, aber so voll wie auf der Hinfahrt waren U- und Straßenbahn diesmal nicht. Dafür meine Blase, die mich zwang, schon vorzeitig auszusteigen und noch einen kleinen Spaziergang durch den Volkspark Friedrichshain und die mucksmäuschenstille Dorfidylle des Bötzowviertels zu unternehmen.