Blitzeinschlag im Berghain mit Brian und Brian

Krach im kultigen Tekknokasten

Krischan am

Hab neulich erst entdeckt, dass eine der Bands, die ich mir in letzter Zeit häufiger anhöre, auch in Berlin vorbeikommt: Lightning Bolt. Hab noch ein bisschen überlegt, ob mir das Geschubse um die mitten im Publikum spielende Band gefallen würde, und auch das Berghain als location hat mich etwas irritiert, aber irgendwie kommt man ja nicht dran vorbei, sich die zwei Verrückten mal anzugucken, wenn sich die Möglichkeit bietet.

Das Ticket hab ich mir dann erst einen Tag vorher ausm Internet ausgedruckt, bezahlt mit der Kreditkarte der Frau, die auf einmal ganz neidisch war, dass ich da hingehe, obwohl sie doch bislang eher komisch geguckt hat bei dem maßlos übersteuerten Krach, den ich mir da manchmal anhöre. Schade, sonst hätten wir uns vielleicht den Abend freigeschaufelt und wären mal wieder zusammen zum Konzert gegangen.

So hab ich mich eben mal wieder allein auf den Weg gemacht, während die Kinder sich bettfein gemacht haben, mit der Straßenbahn bis zur Warschauer und dann irgendwie rechts rein, und nach einer Weile stand ich in städtischem Niemandsland vor einem großen Gebäude, vor dem schon etliche andere Leute herumlungerten, und ein Blick auf den Zettel, der da an der Tür hing, bestätigte die Vermutung, man sei an der richtigen Stelle gelandet: da stand was von Lightning Bolt und dass es sehr laut werden würde. Der Klub-Name aber war nirgends zu entdecken. Hammse nicht nötig, das zu beschriften, wenn ohnehin alle Welt davon schwärmt.

Ein bisschen hab ich noch gewartet, ob vielleicht doch noch einer der beiden Konzertmitgeher von neulich vorbeikommt. Kamen aber nur unbekannte Gesichter, bunt gemischt in Alter, Geschlecht, Style und Outfit, die ganze Palette zwischen Punker und Stino und Hipster, zwei klassische Mättler waren auch darunter. Aber keiner war so bunt angezogen wie ich, fast kam ich mir ein bisschen albern vor. Und als ich keine Lust mehr hatte zum Rumstehen und Durst auch, bin ich einfach reingegangen.

Von außen ist der Kasten ja deutlich klassizistisch angehaucht, ein Gerüst für Bauarbeiten stand auch an einer Ecke dran, innen erwartet einen aber zweckmäßige Industriearchitektur. Hat mich in der Kombination aus bröckeliger Leere und stählerner Umbauten ein bisschen an den Dresdner Panzerhof erinnert, nur dass hier gottseidank die hippiesken Schmuckelemente fehlen.

Im übrigen war auch an diesem Tag das Fotografieren verboten. Wurde mir nochmal eindringlich klargemacht. Haben sich zwar nicht alle dran gehalten, aber es ersparte einem doch, ständig an leuchtenden Bildschirmchen vorbeigucken zu müssen.

Wenig Licht, wenig Leute. Aber es stand sold out dran, war also gar nicht schlecht, das Ticket doch noch vorgekauft zu haben. Nach einer ganzen Weile merkwürdig zusammengestellter Musik, die aber die Leistungsfähigkeit der Anlage in Sachen Bassgedröhne ganz gut demonstrierte, fing dann der Mann vom Vorprogramm an. Aber nicht mit dem Musizieren, sondern mit langer und breiter und ohne Mikro in den Saal hineingerufenen Einführungsvorlesung, der ich aber nicht gefolgt bin, weil ich finde, dass Musik für sich selber sprechen kann und ich mir lieber noch ein Bierchen holen wollte. Beim Zurückkehren in den Saal lief mir noch J Mascis über den Weg und beinahe auf den Zeh, und im Saal war der Typ immer noch am Labern.

Gabriel Saloman hieß der, ein bärtiger und aus Vancouver stammender Zwischenzeitberliner, und irgendwann fing er dann doch an mit Knöppchendrehen, woraufhin langsam ein Tröpfeln und Rauschen, ein Knistern und Dröhnen anhub, dass sich langsam steigerte, aber trotzdem merkwürdig langweilig blieb. Bis er doch zu der umgehängten Gitarre griff, auf der er zusätzlich zum künstlichen Krach hallende Töne tremolierte, die das ganze aber auch nicht wirklich besser machten. Bis ich auf einmal feststellte, dass es mir doch zu gefallen begann, wie sich da etwas entwickelt und aufbaut und eigenständige Formen annimmt. Etwas langatmig zwar, aber anders hätte es am Ende auch nicht funktioniert. Und an irgendwas hats mich die ganze Zeit erinnert, aber woran?

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Das Schema hat er dann, unter Zuhilfenahme etwas abgewandelter Techniken wie etwa dem Streichen der Saiten mit dem Geigenbogen, noch zwei Mal durchexerziert, bevor er fertig war und erfreulich wortlos, dafür pantomimisch übertrieben Dankbarkeit, Demut und Erschöpfung ausdrückte, indem er die Arme in die Luft warf, die Hände verschränkte, merkwürdig stampfend herumhüpfte und den Kopf nach vorn und hinten warf. Oder so. Künstler halt.

Dann wurde es langsam voll und voller, immer mehr Leute strömten die Stahltreppe herauf, und ich hab meinen Platz gewechselt, etwas näher an die Bühne heran, bevor es kein Durchkommen mehr gibt. Und dann kamen zwei unscheinbare nette Jungs auf die Bühne – sie spielen also diesmal nicht auf dem Boden zwischen den herumhüpfenden und ins Schlagzeug fallenden Leuten – und machten sich ans Werk. Bass testen, Megafonmikro mit bunter Stoffmaske um den Kopf schnüren, Drumsticks prüfen, kurze Begrüßung und los.

Kam mir anfangs gar nicht so laut vor, aber der Bassgitarren-Brian hat offenbar erst nach einigen Durchläufen der Riffs angefangen, auf noch ein paar mehr Pedale zu treten, und dann dröhnte es wirklich nach Herzenslust aus den reichlich vorhandenen Boxen. Dabei stand er ganz gelockert auf der Bühne und streichelte mit seinen Fingern sachlich aufmerksam, aber nicht übermäßig konzentriert auf den Saiten herum. Ganz im Gegensatz zum Schlagzeug-und-Mikro-Brian, der sein minimalistisches Schlagzeug malträtierte, dass es nur so rappelte.

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Allzuviel war dabei aber eigentlich nicht zu erkennen bei der flackernden Lichtshow. Und allzuviel zu hören war auch nicht bei dem Krach. Der Gesang ging nahezu völlig unter, das Schlagzeug drang auch kaum durch, und die Bass-/Gitarre dröhnte alles zu. Die meisten Sachen hab ich aber trotzdem irgendwie erkannt, waren also mutmaßlich von den beiden Platten, die ich habe, oder aus dem Fundus von last.fm.

Bei einem Geplänkel zwischen den Songs erneuerte der Sänger seine Vermutung, in Berlin gäbe es gar keine Berliner, alle im Publikum seien aus Australien oder Irland, das wäre schon beim letzten Mal so gewesen, ob sich denn mal ein Deutscher melden könnte? Du da? Nein? Vielleicht hat ihn auch keiner verstanden bei dem verzerrten Echoklang seines Mikros. Ist ja auch egal.

Nach einer Stunde waren sie fertig, und wieder war ich überrascht, was für ein netter gutaussehender Junge unter der Maske zum Vorschein kam, und nach einer Zugabe von weiteren zehn Minuten war dann endgültig Schluss. Noch ein letztes Bierchen, ein etwas irritierter Gang auf die Toilette, von der es zwar zwei gibt, die aber nicht geschlechtsspezifisch ausgeschildert sind. Da in der einen ein paar Frauen herumstanden, bin ich in die andere gegangen, wo mir dann aber auch eine Frau entgegenkam, aber offenbar war es hier wurscht (der Wikipedia-Artikel bestätigt das) und sowieso alles kabiniert.

Draußen wars schön kühl. Die Straßenbahn Richtung Heimat kam gleich, sodass ich gar nicht mehr dazu kam, mir ein Handyticket zurechtzutouchen. Bin ich halt schon am Volkspark Friedrichshain ausgestiegen, hab mir an der Tanke zur Feier des Abends noch ein paar Zigarillos gekauft und auf dem Weg durch das verschlafene Bötzow-Viertel eins weggeschmaucht. Die wenigen, die hier noch unterwegs waren, hatten alle schon die Altersklasse meiner Eltern erreicht. So siehts hier nämlich aus.