Sächsische Sauna

Meine manisch gewordene Olle hat mich in den Dresdner Starclub Beatpol gelockt, um nochmal Motorpsycho zu begucken.

Krischan am

Einmal ist keinmal, hats dir etwa nicht gefallen, magst du die jetzt nicht mehr und dergleichen musste ich mir anhören, dabei hatte ich ja schon gesagt, sie könne es wie seinerzeit mit der Madrid-Idee einfach in die Hand nehmen, und am Ende würde ich schon mitkommen, wenn ich vor keiner Wahl mehr stünde. Nur mit meiner Unterstützung solle sie halt nicht rechnen bei der Umsetzung von so Schnapsideen.

Und dann hingen also eines Tages zwei richtige Tickets am Heizungskasten in der Küche.

Nachmittags schon etwas eher nach Hause geradelt, schnell den verschwitzten Kopf abgeduscht, das Hemd gewechselt und fast sofort ins Auto gekrabbelt. Nur schnell den Kindern noch Tschüss sagen und dabei auch die Freigabe des Internets verneinen. Und eine Jacke mitnehmen, man weiß ja nicht, vielleicht ist es ja in Sachsen nicht ganz so albern warm wie hier in Berlin. Mäßig Stau, aber die Auffahrt zur Autobahn schon wieder anders verbaustellt, das hat uns kurz irritiert. Aber am Ende waren wir doch fast pünktlich zum Beginn des Einlasses in Dresden Briesnitz. Parkplätze gabs keine, aber einen Dönerladen direkt gegenüber, der uns zweimal Cigara Börek serviert hat, während sich der Platz vorm nicht mehr Starclub heißen dürfenden Beatpol langsam füllte. Bislang aber noch keine bekannten Gesichter zu sehen. Dafür sächseln hier alle Leute was das Zeug hält, das kann man ja auch mal würdigen.

Schnell rein in den Club, Katharina muss mal für kleine Mädchen. Ich bin immer noch am Überlegen, wann ich das letzte mal hier war. Ich bin mir fast sicher, auch nach meinem Wegzug aus Dresden nochmal da gewesen zu sein. Aber zu welcher Band? Und wann? Und mit wem? Keine Ahnung. Ganz schön klein isses drin, da hat man sich inzwischen auch an andere Verhältnisse gewöhnt. Die Bierpreise dann auch ganz anders als in Berlin. Das große Bier kostet hier weniger als dort das kleine. Dabei werden die Flaschen auch noch alle einzeln in Plastebecher umgefüllt. Eins am Anfang darf ich, dann muss ich mich natürlich für die Rückfahrt nüchtern halten, denn eine Übernachtung ist an einem normalen Montag nicht mit eingeplant.

Der Merchandise-Stand hat ein paar T-Shirts weniger als noch vor drei Wochen, dafür liegen jetzt auch zwei von diesen Deluxe-CDs aus. Billiger als beim Lieblings-Platten-Mailorder. Aber teurer als direkt beim Label, wie ich gerade sehe. Schaumerma. Vielleicht brauch ich ja auch diese Best-Of-Platte nochmal?

Es füllt sich, ein paar bekannte Gesichter sieht man dann doch, aber alles keine Leute, die einen nach anderthalb Jahrzehnten noch grüßen oder hinter dem zugewachsenen Gesicht erkennen würden: Markus aus dem Schuh-und-Platten-Laden, für den ich mal das Schild gemalt habe, sowie Ulla aus dem Stadtteilhaus waren zu erwarten, die waren auch früher schon Motorpsycho-Fans, mit Anjas Exfreund Lorenz dagegen habe ich eher nicht gerechnet. Später ist auch Heiko noch zu sehen gewesen, hat aber auch nicht auf mich reagiert. Ansonsten im wesentlichen wieder älteres Publikum, zum Teil schon in Begleitung der Nachfolge-Generation in passenden Band-Shirts.

Der Techniker, der sich dann an den Instrumenten zu schaffen macht, ist wieder der ältere Herr mit dem wallenden Haar, und weil keine Vorband mitmacht, geht es dann auch erst gegen halb neun los. Der Saal war vorher schon leicht nebelig, was zwar bestimmt an einer Nebelmaschine lag, aber im Verlaufe der Zeit auch gezeigt hat, dass die Lüftung nicht gut funktioniert. Nun wurde es schnell sehr warm. Wir sind also lieber hinten auf dem kleinen Podest stehen geblieben, wo man schneller an den Cola-Nachschub kommt, nicht ganz so eng steht und mehr sieht. Laut genug war es ja. Nur der Sound ließ zu wünschen übrig: in den leisen und mittellauten Passagen gings, aber wenn es so richtig metert, war in all dem Matsch kaum noch etwas anderes als der Grundakkord zu erkennen.

Los ging es übrigens mit dem sehr guten »Plan #1« vom fast dreißig Jahre alten Album »Demon Box«, das sogar richtig mit dem Telefonstimmen-Schnipsel eingeleitet wurde. Danach blieb es aber im wesentlichen bei neueren Songs. Gleich beim zweiten Stück kam auch der riesige Gong hinterm Schlagzeug in Aktion, der das ganze Berliner Konzert hinüber völlig ungenutzt verstaubt ist. Wieder sehr schön beeindruckend der Titelsong von »Crucible«, der stimmungsmäßig passend durch Videobilder aus dem zweiten Weltkrieg ergänzt wurde. Und sehr viel besser diesmal »Greener«, das zum Teil aber auch durch den schlechteren Sound aufgefangen wurde. Den einen ruppigen Rocksong kannte ich nicht, weil er ein Cover war, der andere Stampfer war »Frances« vom 1991er Album »Lobotomizer«.

Irgendwann nach der dritten Cola hatte ich keinen Bock mehr, so warm und stickig war es. Haben die überhaupt eine Lüftungsanlage da drin? Ist das so zulässig? Was soll das überhaupt? War das schon immer so? Ein oder zweimal dachte ich schon, ich müsste lieber mal kurz nach draußen gehen, bevor ich noch umkippe, aber meistens hat ein beherztes Durchatmen geholfen. Und die Band schien das alles nahezu überhaupt nicht zu beeindrucken. Das Hemd von Snah sah inzwischen aus wie eine glänzende Lederjacke, die Instrumente wurden nach jedem Stück mit Handtüchern abgewischt, und dann ging es munter weiter. Der vordere Teil des Publikums inzwischen auch leicht rhythmisch bewegt, sogar einzelne Hüpfer und Haareschüttler und Armeruderer waren zu sehen; am Anfang war ja alles eitel Stillstehen. Wie in Dresden eben üblich.

Nach etwa zwei Stunden war es endlich zu Ende, aber dann kam nach einigem Gejohle und Gepfeife doch noch eine Zugabe, und zwar die, auf die ich gar nicht nochmal zu hoffen gewagt hatte: »The Wheel«. Wieder ein herrliches Brett, nur nicht ganz so lang und hypnotisch wie in Berlin, dafür am Ende in mehreren Runden immer noch eins draufsetzend in immer wilderes Gekrache und Genoise ausartend.

Licht wieder sehr schön, die wirkungsvollsten Akzente mit publikumsblendenden Blitzen unterstreichend, offenbar haben sie da aber auch extra einen mit, der sowohl die Videos als auch die Scheinwerfer steuert und auch ab und zu Zeichen von Bent bekommt.

Während ich noch einen Becher eiskalter Cola bestellt habe, hat Katharina mir dann die Deluxe-Box des sehr schönen Albums »Blissard« geholt. Es gab sogar eine mit dem Bandlogo bedruckte Plastetüte dazu, die hatte ich vorher schon ganz neidisch bei einem Käufer von vier Vinyl-Alben gesehen.

Dann sind wir ein bisschen in Richtung Ausgang gerückt, um uns an die irdischen Temperaturen zurückgewöhnen zu können, die von dort in den Saal wehten. Und um vielleicht doch noch ein näher bekanntes Gesicht zu entdecken. Aber Pustekuchen. Also ab ins Auto und zurück auf die Autobahn. Ich wollte ja auch noch rauskriegen, welcher Song das war, der mich da wieder so begeistert hat und den ich aber nicht auswendig wusste. Die Auffahrt in Richtung Berlin auch hier von einer Baustelle versperrt, also mussten wir erstmal in die andere Richtung bis Wilsdruff und dort wenden. Viel Zeit also, in der Motorpsycho-Sammlung auf dem USB-Stick des Autoradios herumzusuchen. Bei der schlecht gemachten Benutzeroberfläche dauert aber sowieso alles immer etwas länger.

Die kurze Pause, die nur zum Wechseln von Katharinas durchgeweichtem Pulli dienen sollte, hat sich erheblich verlängert, weil die Raststätte des nachts komplett mit LKWs vollgestellt war, die an allen erlaubten und unerlaubten Stellen herumstanden, und zwar so, dass man an der einen Ausfahrt tatsächlich gar nicht mehr rauskam. Da kam uns dann schon ein anderer PKW entgegengewendet. Alle möglichen Verbotsschilder ignorierend, sind wir dann aber an den Anfang der Raststätte zurück- und links an dem Chaos vorbei- und zurück zur Autobahn gekommen.

Später nochmal teuer tanken, mehr Cola trinken (und immer noch nicht pullern müssen) und Gummibärchen futtern und gegen zwei schon wieder in Berlin. Ohne dass ich das Lenkrad übernehmen musste.