Ab in die Kammer

Wir waren schon wieder auf einem Konzert, diesmal aber ganz klassisch.

Krischan am

Als wir neulich an einem Wochenende bei ekligem Herbstwetter im Museum waren (naja, in der Gemäldegalerie und danach noch im Kunstgewerbemuseum) und dann hinterher für die Nachhausefahrt so an der Bushaltestelle neben der Philharmonie herumstanden, meinte Emma auf einmal, dass sie da mal rein will. In die Philharmonie.

Ja, genau, wieso eigentlich nicht? Da waren wir doch auch noch nicht. Die in schiefen Winkeln zusammengesetzte, golden schimmernde Fassade nur von außen bewundern, das geht natürlich auch, das kann man machen, das ist naheliegend, aber mal reingucken wäre auch nicht schlecht. Und ist ja auch naheliegend. Da traf es sich auch ganz gut, dass Katharina dann gleich noch entdeckt hat, dass die eine Mutter aus Emmas Klasse, die mit ihrem Mann zusammen in so einer Bigband spielt und uns immerzu einlädt, doch mal auf eines der Konzerte vorbeizukommen, die Musik wäre lustig und das Publikum auch, und wir haben dann aber immer keine Lust oder keine Zeit oder der Termin passt nicht oder es ist zu weit weg – jedenfalls spielt die ab und zu auch in einem klassischen Orchester, wo Berufs- und Laienmusiker zusammenspielen, und zwar hin und wieder auch im Kammermusiksaal der Philharmonie. Zum Beispiel jetzt gleich Ende November. Brahms und noch was. Also hab ich (nach einigen Tagen) mal eben drei Tickets geklickt (Juri hatte keine Lust). Gar nicht mal so billig, wie ich (warum eigentlich?) gedacht hatte, aber auch alles andere als erschreckend teuer, also durchaus mal machbar.

Am Sonntag nachmittag ist uns dann gleich erstmal eine Straßenbahn vor der Nase weggefahren, was Katharinas ausgefeilten Zeitplan ziemlich durcheinander gebracht hat. Und da die U-Bahn, die uns verhältnismäßig unkompliziert bis zum Potsdamer Platz gefahren hätte, im Moment nicht fährt, weil die Baustelle für den direkt neben der U-Bahn aufzustellenden Hochhausturm die Gleise hat absacken lassen, mussten wir am Alex eine ganze Weile auf den Bus warten. Beim Überqueren der Straße an der Fußgängerampel hätte mich beinahe ein Autofahrerdepp überfahren, der seine Augen an allen möglichen Stellen hatte, aber nicht auf der Straße oder der Ampel.

Kurz vor Beginn waren wir aber da, und ich konnte nochmal schnell aufs Klo und dann hoch. Man ahnt dann ja beim Treppensteigen, dass das sich nach oben verbreiternde Ding da in der Mitte des Gebäudes, dass ganz unten im Vestibül noch eine dicke Säule zu sein scheint, in Wirklichkeit aber die Außen- oder Unterseite des Saals mit den ansteigenden Sitzreihen ist. Überall Sichtbeton, zum Teil in merkwürdigen Farben (Altrosa und gedecktes Dunkelviolett) angestrichen. Dazu Natursteinfliesen unterschiedlichen Materials, nach Ikea aussehende Kugelleuchten aus vieleckigen Segmenten, schlichte weiße Metallgeländer und an einigen Stellen kleine runde Buntglasfenster. Ulkige Zusammenstellung. Und überall die nicht rechten Winkel.

Jedenfalls waren die anderen beiden noch gar nicht am Platz. Schauen sie sich noch um? Suchen sie noch besagte Mutter im Backstage auf? Ein Mädchen hinter mir gestikulierte und rief und winkte zu anderen Mädchen auf den Rängen gegenüber (man sitzt im Kreis um das Orchester herum), Leute kamen und gingen und suchten ihre Plätze. Es füllte sich. Und als dann schon zwei Minuten vor Anfang die Türen geschlossen wurden und eine begrüßende Ansage gemacht wurde, hab ich mal aufs Handy geguckt. Nachricht von Katharina, wie lange ich denn noch brauche und wo ich wäre. Sie warten doch noch unten auf mich.

Es ging dann erst einige Minuten später los. Bis alle Musiker sitzen, ihre Instrumente stimmen, auf den Dirigenten warten, der dann kommt und seinen Vorabapplaus entgegennimmt, das nimmt ja alles seine Zeit in Anspruch.

Die Musik hat mich dann nicht groß beeindruckt, muss ich ehrlich sagen. Brahms mag ich durchaus, und die sanften und sehr harmonischen Melodien aus den Choral-Vorspielen sind auch wirklich schön. Schön zu beobachten war aber vor allem der Dirigent, den man natürlich viel besser beim Grimassieren zusehen kann, wenn man ihn von schräg vorne sieht, weil man das Orchester eben nicht frontal vor der Nase hat. Und was die Musiker so alles machen, wenn sie grad nicht dran sind. Wie sie immer wieder kurz vor ihren Einsätzen die Instrumente vorbereiten, wie sie arbeitsteilig die gemeinsam benutzten Notenblätter umblättern, wie sie zu den Zuschauern schielen, die da immer tuscheln.

Ein jungscher Geiger (es war eine Viola, keine Violine, sagt meine Frau) übernahm dann den Solopart und wurde sehr bejubelt. Das war vielleicht ein Nachteil unseres Sitzplatzes: ich fand die Solo-Instrumente recht leise, hatte aber eben auch fast das gesamte Orchester zwischen mir und den Solisten.

In der Pause kurzes Schnacken mit der Mutter und der dazugehörenden Tochter samt Vater.

Nach der Pause waren die ganzen Mädels nicht mehr da, die sich da durch den Saal verständigt und zugewunken hatten – das war wohl der Fanclub des Solisten.

Der rumänische Komponist, der nach der Pause gespielt wurde, war offenbar doch ein anderer als der, den ich kurz vorher im Radio aufschnappt hatte und ganz interessant fand; wird ja mehr als einen geben. Ein bisschen dynamischer wurde die Musik aber doch, auch ein Schlagzeuger durfte für unsere Ohren recht unpassend auf einer Snare herumrascheln, machte das aber durch interessanten Einsatz und unterschiedliche Spieltechniken an der Triangel wieder wett. Habe ich den Pauker erwähnt? Und das knarzende Kontrafagott, bei dessen Klang wir am Anfang dachten, irgendwo würde eine unbedacht abgelegte Mundstückhülle auf dem Notenständer vibrieren?

Ich hab dann noch versucht, Fotos zu machen – nach dem Konzert durfte man ja wieder –, aber irgendwie kriegt man mit handelsüblichen Handykameras einen solchen Raum nicht eingefangen. Und Emma wurde ungeduldig und wollte nach Hause. Also ab zum Bus.

Die anderen, also erwähnte Tochter mit Vater, wollten noch auf den Weihnachtsmarkt am Roten Rathaus, die Mutter würde später auch noch dazustoßen. Und als der Bus dann wegen einer polizeilichen Straßensperre eine Umleitung fuhr und auch an der nächsten Straße nicht weiterkam, sind wir alle ausgestiegen und haben uns dann bereitwillig überreden lassen, da auch mal reinzuschnuppern. Kostet ja doch keinen Eintritt; das hatte ich mir irgendwie falsch gemerkt, als wir vor ein paar Jahren mit der Betriebsweihnachtsfeier da vorbeigekommen sind. Enges Geschiebe, Fressbuden und Schnullibuden, Rummelplatz. Wir sollten vor allem erstmal zum Kettenkarussell. Emma wollte wider Erwarten gar nicht mitfahren, und Katharina nicht alleine, also bin ich dann doch mit, obwohl mir sowas ja üblicherweise nicht bekommt. Ging aber. Es dreht sich halt alles, aber man selbst ja eigentlich nicht. Muss man nur zusehen, wo man hinguckt.

Dann gabs für die quengelnde Emma natürlich noch einen arschteuren Crêpe, die anderen haben sich richtig was zum Futtern (vegane Burger) und Suffeln besorgt, und ich hab dann beizeiten doch zum Aufbruch gedrängt: zu Hause sitzt ja noch der Juri und wartet auf Abendbrot. Und da scheinbar nichts mehr über die Spree kommt, müssen wir das ja alles noch zu Fuß laufen. Die Straßenbahn fuhr dann aber doch (wieder), aber um nicht zehn Minuten in der Kälte herumstehen zu müssen, sind wir gelaufen. Gegen den Willen einer angehenden Dame. Dann kam auf halbem Weg doch noch eine Tram, aber da wollte Madame nicht mehr mit. Also sind die Eltern alleine eine Station gefahren und haben dann doch wieder in der Kälte herumgestanden, um auf das Töchterlein zu warten.

Siehste.

Krischan am 4. Januar 2023

Bilder gibts jetzt auch: 27. November 2022