Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag beantragt beim Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 21 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 des Grundgesetzes i. V. m. § 13 Nummer 2, §§ 43 ff. des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes folgende Entscheidung:
1. gemäß Art. 21 Abs. 2 GG festzustellen, dass die Partei »Alternative für Deutschland« verfassungswidrig ist,
2. das Vermögen der »Alternative für Deutschland« nach § 46 Abs. 2 S. 3 BVerfGG zugunsten der Bundesrepublik Deutschland für gemeinnützige Zwecke einzuziehen,
hilfsweise, auch im Falle einer Entscheidung nach § 46 Abs. 2 BVerfGG, festzustellen, dass die »Alternative für Deutschland« nach Art. 21 Abs. 3 GG von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen ist.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung und die Landesregierungen auf, durch ihre Verfassungsschutzbehörden unverzüglich auf die Herstellung der vom Bundesverfassungsgericht für Parteiverbotsverfahren formulierten Anforderung strikter Staatsfreiheit hinzuwirken und dem Deutschen Bundestag den Zustand der strikten Staatsfreiheit nach dessen Eintritt zu versichern. Unabhängig von einer solchen ausdrücklichen Versicherung, geht der Deutsche Bundestag mit Ablauf von zwei Monaten nach seiner Beschlussfassung von einer erfolgreichen Herstellung des Zustands der strikten Staatsfreiheit aus.
III. Die Präsidentin des Deutschen Bundestages beauftragt alsbald Verfahrensbevollmächtigte mit der verfassungsgerichtlichen Antragstellung, Begründung und weiteren Prozessführung; soll dies jedoch nicht tun, bevor nicht dem Deutschen Bundestag der Eintritt des Zustands der strikten Staatsfreiheit ausdrücklich versichert wurde oder von der Herstellung des Zustands der strikten Staatsfreiheit mit dem Ablauf von zwei Monaten nach der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages ausgegangen werden kann.
Begründung
Nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus hat das Grundgesetz einerseits die politischen Parteien in Deutschland unter besonderen Schutz gestellt, gleichzeitig aber auch klare Kriterien aufgestellt, wann Parteien gegen die Verfassung verstoßen. Art. 21 Abs. 2 GG formuliert deutlich: »Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.« Über die Verfassungswidrigkeit einer Partei können – auch das eine Lehre aus dem Nationalsozialismus – weder Bundestag, Bundesrat noch die Bundesregierung entscheiden. Die Prüfung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, liegt nach Art. 21 Abs. 4 GG allein beim Bundesverfassungsgericht. Liegen jedoch Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Partei verfassungswidrig ist, sind Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung nach § 43 Abs. 2 BVerfGG berechtigt, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag einzureichen, um die Verfassungswidrigkeit prüfen zu lassen. Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD bundesweit als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft hat, liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Partei verfassungswidrig ist. Um dem vom Grundgesetz vorgesehenen Schutz der Verfassung angemessen Rechnung zu tragen, strengt der Bundestag nun ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD an.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil im NPD-Verfahren vom 17. Januar 2017 (Az: 2 BvB 1/13, BVerfGE 144, 20) seine Rechtsprechung und die Voraussetzungen für eine Überprüfung der Verfassungswidrigkeit einer Partei umfassend weiterentwickelt.
Eine Partei ist demnach verfassungswidrig, wenn sie nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden (im Einzelnen hierzu BVerfGE 144, 20, Rn. 528 ff.).
Ausgangspunkt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist die Menschenwürde. Sie in allen ihren Erscheinungsformen zu achten und zu schützen ist oberste Pflicht jeden staatlichen Handelns. (Vgl. BVerfGE 144, 20, Rn. 538 ff.).
Entscheidend für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei sind ihre wirklichen Ziele, nicht die im Programm oder in offiziellen Erklärungen vorgegebenen (vgl. BVerfGE 144, 20, Rn. 560).
Zuzurechnen sind einer Partei dabei die Tätigkeiten ihrer Organe, besonders der Parteiführung und leitender Funktionäre sowie die Tätigkeit von Publikationsorganen und führender Funktionäre von Teilorganisationen. Bei Äußerungen oder Handlungen einfacher Mitglieder erfolgt eine Zurechnung, wenn diese in einem politischen Kontext stehen und die Partei sie gebilligt oder geduldet hat. (Vgl. BVerfGE 144, 20, Rn. 562 ff.).
Erforderlich ist eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt. Hierbei kommt es auf ein planvoll verfolgtes politisches Vorgehen an, das Funktionieren dieser Ordnung zu beeinträchtigen. Versuchs- oder Vorbereitungshandlungen im strafrechtlichen Sinne sind nicht erforderlich. (Vgl. BVerfGE 144, 20, Rn. 574 ff.).
Weitere Voraussetzung ist, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Erreichen der von der Partei verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint (Potentialität, vgl. BVerfGE 144, 20, Rn. 585 ff.).
Die AfD wendet sich gegen zentrale Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung:
Die Würde des Menschen sowie das Diskriminierungsverbot werden durch die AfD, ihre führenden Funktionäre sowie zahlreiche Mandatsträger und Mitglieder mittlerweile unverhohlen in Frage gestellt. Die Rechte von Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen oder solcher mit nicht heteronormativer Sexualität sowie Angehörigen autochthoner nationalen Minderheiten und Volksgruppen sollen nach dem Willen der AfD zu Gunsten einer völkisch-nationalen Stärkung eines vermeintlichen Deutschtums beschränkt oder beseitigt werden. Dabei sind immer wieder Bagatellisierungen der monströsen nationalsozialistischen Verbrechen und darüber hinaus auch klare Bekenntnisse zu diesen durch Funktionäre, Mandatsträger und Mitglieder der AfD zu verzeichnen. Vielfach nutzen AfD-Abgeordnete Begrifflichkeiten und Parolen, die verschiedene Straftatbestände erfüllen, z.B. §§ 86a, 130 StGB. Jüngst wurde der thüringische AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Björn Höcke MdL zwei Mal für die Nutzung der strafbaren SA-Parole »Alles für Deutschland« verurteilt. Auch darüber hinaus haben ihre Reden oft sehr bewusste und planmäßige Bezüge zur Sprache der Nationalsozialisten. Diese positiven Bezugnahmen auf den Nationalsozialismus sind dabei weder Zufall noch Ausnahme, sondern ideologisch konsequent und strategisch beabsichtigt.
Aufgrund ihrer deutlich erkennbaren verfassungsfeindlichen Bestrebungen steht die Partei bereits seit Längerem unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Am 15. Januar 2019 stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD insgesamt als sogenannten Prüffall ein. Am 25. Februar 2021 folgte die Einstufung als Verdachtsfall. Mit der Entscheidung des OVG Münster vom 13.05.2024 (Az: 5 A 1218/22) ist die Beobachtung der Gesamtpartei als rechtmäßig bestätigt worden. Diese obergerichtliche Entscheidung stellt fest, dass aufgrund der umfassenden Materialsammlung des Bundesamtes für Verfassungsschutz hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Funktionäre, Mandatsträger und sonstige Mitglieder der AfD Bestrebungen verfolgen, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind.
Es liegen nach der Überzeugung des OVG konkrete und hinreichend verdichtete Anhaltspunkte dafür vor, dass nach dem politischen Konzept der AfD Flüchtlingen und anderen Zuwanderern, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund und deutschen und ausländischen Staatsangehörigen islamischen Glaubens die Anerkennung als gleichberechtigte Mitglieder der rechtlich verfassten Gemeinschaft versagt werden soll. Die Verknüpfung des von der AfD verwendeten »ethnisch-kulturellen Volksbegriffs« mit einer politischen Zielsetzung, mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage gestellt wird, sei mit der Menschenwürde nicht vereinbar.
Es werde zudem deutlich, dass nach Auffassung der AfD Deutsche mit Migrationshintergrund keine »vollwertigen Deutschen« seien und zwischen Migranten und Deutschen ein gleichsam unüberwindlicher biologischer, abstammungsmäßiger Unterschied bestehe.
Anhaltspunkte für Bestrebungen der AfD gegen das Demokratieprinzip ergeben sich nach Auffassung des Gerichts aus dem Verächtlichmachen staatlicher Institutionen und Amtsträger sowie aus Äußerungen, in welchen die Demokratie und das parlamentarische System abgelehnt und ein gewaltsamer Umsturz befürwortet werden.
Auch das Thüringer Oberverwaltungsgericht führte in seinem Beschluss vom 19.02.2024 (Az: 3 EO 453/23) mit Blick auf den dortigen AfD-Landesverband aus, dass die aus dem Parteiprogramm eindeutig hervorgehende Herstellung eines »Ethnopluralismus«, die Darstellung des Islam als Gesamtbedrohung und die Aufforderung, der vermeintlich um sich greifenden »Veränderung des Staatsvolkes« entgegenzuwirken, auf eine Grundeinstellung hinweisen, die mit wesentlichen Verfassungsgrundsätzen der Menschenwürde, Religionsfreiheit, Gleichbehandlung und dem Demokratieprinzip nicht mehr vereinbar sei.
Im Lichte einer Reihe von investigativen journalistischen Recherchen und staatlichen Ermittlungen zeigt sich zunehmend das planvolle und entschlossene Vorgehen der AfD gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Bei einer Konferenz in Potsdam Ende 2023 wurden unter Beteiligung zahlreicher AfD-Funktionäre, z.T. aus dem engsten persönlichen Umfeld der Führung der Bundestagsfraktion, Pläne zur millionenfachen »Remigration« auch von deutschen Staatsbürgern entwickelt, die weit über jeglichen rechtsstaatlichen Rückführungswillen Ausreisepflichtiger hinausgehen.
Die mutmaßliche terroristische Vereinigung um Prinz Reuß erhielt für ihre Umsturzpläne Unterstützung aus den Reihen der AfD. Unter anderem gelangten dabei mit Hilfe der ehemaligen AfD-Abgeordneten Birgit Malsack-Winkemann mehrfach planvoll sogenannte Reichsbürger in die Liegenschaften des Deutschen Bundestages.
Darüber hinaus verfügen über die AfD auch eine Vielzahl von Extremisten und Verfassungsfeinden über Zugang zum Deutschen Bundestag, mithin auch zu sensiblen Daten und Informationen. Die AfD beschäftigt nach BR-Recherchen mehr als 100 Mitarbeitende, die individuell dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen sind. Mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordneten beschäftigen Personen, die in Organisationen aktiv sind, die von den Verfassungsschutzbehörden als rechtsextrem eingestuft werden. Hierdurch wird der Deutsche Bundestag als Herzstück unserer parlamentarischen Demokratie systematisch unterwandert.
Dass der Zugang zu Parlamenten und vertraulichen Informationen durch die AfD missbraucht wird, zeigen auch die Enthüllungen um den Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah MdEP, dessen Mitarbeiter unter dem dringenden Verdacht steht, sich nachrichtendienstlich für die Volksrepublik China engagiert zu haben. Ebenso verschaffte Herr Krah einem russischen Spion Zugang zum Europäischen Parlament.
Es ist festzustellen, dass die AfD in Teilen der verlängerte Arm autoritärer ausländischer Regime ist und gezielt in deren Auftrag gegen deutsche Interessen agiert. Derzeit bestehen zahlreiche Vorwürfe der Annahme von ausländischem Geld und Vorteilsnahme im Gegenzug zu ausländischer Interessenvertretung, etwa gegen die Abgeordneten Petr Bystron MdEP sowie Maximilian Krah MdEP in Bezug auf das verbrecherische russische Regime sowie die Volksrepublik China.
Anders als bei der NPD erscheint es nicht völlig aussichtslos, dass die AfD ihre verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele tatsächlich erreicht – im Gegenteil! Die Partei vereint bei Wahlen einen nicht nur unerheblichen Stimmenanteil auf sich und ist in Begriff, sich in einigen Bundesländern als stärkste Kraft dauerhaft zu etablieren. Auf kommunaler Ebene stellt die AfD bereits vereinzelte kommunale Wahlbeamte. Bei den ostdeutschen Kommunalwahlen wurden jüngst eine Vielzahl von AfD-Vertretern in die kommunalen Räte gewählt.
Bei den ostdeutschen Landtagswahlen vom Herbst 2024 verzeichnete die AfD zahlreiche Mandatsgewinne und erlangte somit zusätzlichen Zugang zu staatlichen Ressourcen. In den Landtagen von Brandenburg und Thüringen verfügt sie über eine verfassungsrechtliche Sperrminorität.
Sämtliche Erfahrung mit Mandatsgewinnen der AfD bestätigt die Annahme, dass die Partei einmal errungene Macht einsetzt um gegen politische Gegner vorzugehen, rechtsstaatliche Strukturen und Verfahren zu schwächen, Minderheiten auszugrenzen und verächtlich zu machen, die sexuelle Selbstbestimmung anzugreifen und die staatliche Förderung von Demokratie und Zivilgesellschaft zu behindern und mittelfristig abzuschaffen.
Dabei sind die Verbreitung von sog. Fake-News und Verschwörungsnarrativen, bspw. vom »Bevölkerungsaustausch«, die pauschale Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen sowie dubiose ausländische finanzielle Unterstützung zentrale Faktoren für den Erfolg der Partei.
Die Diskriminierung ganzer Bevölkerungsgruppen wird von der AfD selbst in Parlamenten betrieben, so forderte ein am 29.08.2024 von der AfD im Brandenburger Landtag eingebrachter Entschließungsantrag unverhohlen ein »Betretungsverbot öffentlicher Veranstaltungen für Asylantragsteller, Asylberechtigte, ukrainische Kriegsflüchtlinge, geduldete und subsidiär schutzberechtigte Ausländer zu erlassen«. Der gleiche Antrag forderte außerdem, die »Abgabenordnung so zu ändern, daß allen Vereinen, die sich in ihrem Vereinszweck auf Vielfalt berufen, die Gemeinnützigkeit aberkannt werden kann«.
Durch die systematische Diffamierung der freien, unabhängigen und kritischen Presse als »Lügenpresse«, ebenfalls Sprachjargon der Nationalsozialisten, soll die Agenda der AfD gefördert und das Vertrauen in den demokratisch und freiheitlich verfassten Staat systematisch zerstört werden.
Nicht zuletzt in der parlamentarischen Arbeit im Bund und in den Ländern ist anhaltend festzustellen, dass die Mandatsträger der AfD den Parlamentarismus sowie die Institutionen des Staates verachten, sie absichtlich verächtlich machen und deren Arbeit gezielt behindern. Beispielhaft hierfür sind die tatsächlichen Vorschläge von AfD-Abgeordneten für das Amt des Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, etwa den vom Militärischen Abschirmdienst als rechtsextrem eingestuften ehemaligen Soldaten Hannes Gnauck.
Bei der Konstituierung des Thüringer Landtages im September 2024 unternahm die AfD in Gestalt ihres Alterspräsidenten den Versuch, das verfassungsrechtlich garantierte Selbstorganisationsrecht des Parlaments zu unterlaufen und eigene Machtinteressen planvoll und bei vollständiger Kenntnis der Rechtswidrigkeit gegen die demokratische Mehrheit durchzusetzen. Dieses antidemokratische und verfassungswidrige Vorgehen konnte nur durch die Anrufung des Thüringer Verfassungsgerichtshofes beendet werden.
Nach alledem ist es an der Zeit, der zunehmenden Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu begegnen, indem ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet wird.
Art. 21 Abs. 2 GG zielt darauf ab, nach der Maxime »Wehret den Anfängen« frühzeitig die Möglichkeit des Vorgehens gegen verfassungsfeindliche Parteien zu eröffnen (BVerfGE 144, 20, Rn. 584). Im Lichte der deutschen Geschichte, den bisher bekannten Erkenntnissen der Verfassungsschutzämter sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung, welche hinreichende Anhaltspunkte für gegen die Menschenwürde und das Demokratieprinzip gerichtete Bestrebungen der AfD sieht, gebietet es die Verantwortung des Deutschen Bundestages für unsere freiheitliche Demokratie, die rechtliche Überprüfung der AfD durch das unabhängige Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen.
Die aufgeführten Gründe rechtfertigen, ausdrücklich nicht kumulativ, die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit. Sie sind dabei weder vollständig noch abschließend für den Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts. Es obliegt den Prozessbevollmächtigten diese und darüber hinausgehende Beweise und Gründe für die Verfassungswidrigkeit der AfD vorzubringen.
Der Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit ist nach § 43 Abs. 1 BVerfGG gegen die gesamte Partei zu richten. Im Rahmen der Entscheidung über den Antrag kann das Bundesverfassungsgericht nach § 46 Abs. 2 BVerfGG die Feststellung der Verfassungswidrigkeit auf einen rechtlich oder organisatorisch selbständigen Teil einer Partei beschränken.
Sollten nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Voraussetzungen zum Feststellen der Verfassungswidrigkeit der Gesamtpartei nicht vorliegen, so sind jedenfalls die Verfassungswidrigkeit der Jugendorganisation »Junge Alternative für Deutschland« sowie einiger AfD Landesverbände, z.B. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, festzustellen, da sich diese, auch nach Ansicht der Verfassungsschutzbehörden, gesichert rechtsextremen Teile der Partei offensichtlich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen.
Für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht die Voraussetzungen zum Feststellen der Verfassungswidrigkeit der Partei nicht als erfüllt ansieht, ist ebenfalls hilfsweise festzustellen, dass die AfD ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger nach darauf ausgerichtet ist, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Die AfD ist demzufolge nach Art. 21 Abs. 3 GG von der staatlichen Finanzierung auszuschließen. Dieser Antrag kann nach § 43 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG mit dem Hauptantrag verbunden werden.
Ein auf die Überprüfung der Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei gerichtetes Verfahren darf nur unter Beachtung strengster rechtsstaatlicher Anforderungen durchgeführt werden. Es ist daher unerlässlich, dass die betroffene Partei im Hinblick auf ihre Willensbildung und Selbstdarstellung jederzeit selbstbestimmt (und damit auch zurechenbar verantwortlich) handeln kann. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer unter staatlichen Aufsicht stehenden oder sogar staatlich gesteuerten Partei ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar. Insoweit herrscht das Gebot strikter Staatsfreiheit (BVerfGE 107, 339 [368 ff.]; BVerfGE 144, 20 [Rn. 405]; BVerfG Urteil vom 23.1.2024 – 2 BvB 1/19, Rn. 145). Vor diesem Hintergrund muss gewährleistet sein, dass die Führungsebenen der betroffenen Partei, d.h. ihr Bundes-, ihre Landes- sowie die Vorstände ihrer Teilorganisationen, während des gesamten Verfahrens frei von etwaigen staatlichen Einflüssen bzw. Einflussmöglichkeiten sind (BVerfGE 107, 339 [366 f.; 369]; BVerfGE 144, 20 [Rn. 407]; BVerfG Urteil vom 23.1.2024 – 2 BvB 1/19, Rn. 146 f.). Insbesondere sind die vom Bundesverfassungsschutz und den Landesverfassungsschutzbehörden zum Zwecke der Erfüllung ihrer nachrichtendienstlichen Aufgaben eingesetzten V-Leute rechtzeitig abzuschalten bzw. abzuziehen (BVerfGE 107, 339 [366 f.]; BVerfGE 144, 20 [Rn. 407 f.]; BVerfG Urteil vom 23.1.2024 – 2 BvB 1/19, Rn. 146 f.).
Unterbleibt die rechtzeitige Abschaltung der V-Leute bzw. der rechtzeitige Abzug der verdeckten Ermittler, liegt eine Verletzung des Gebotes strikter Staatsfreiheit vor, die zu einem (unbehebbaren) Verfahrenshindernis im Verfahren führen kann (vgl. BVerfGE 107, 339 [365, 371]; BVerfGE 144, 20 [Rn. 404, 426]; BVerfG Urteil vom 23.1.2024 – 2 BvB 1/19, Rn. 140, 144). Rechtzeitig im Sinne des Gebotes strikter Staatsfreiheit sind Abschaltung der V-Leute bzw. Abzug der verdeckten Ermittler dabei im Grundsatz dann, wenn diese bereits vor dem Eingang eines Antrags auf Überprüfung der Verfassungswidrigkeit beim Bundesverfassungsgericht erfolgen, heißt konkret, spätestens mit der öffentlichen Bekanntmachung der Absicht, einen derartigen Antrag zu stellen (BVerfGE 107, 339 [369]; BVerfGE 144, 20 [Rn. 408]; BVerfG Urteil vom 23.1.2024 – 2 BvB 1/19, Rn. 148). Betreibt der Deutsche Bundestag ein Verfahren zur Überprüfung der Verfassungswidrigkeit einer Partei, so erfolgt diese öffentliche Bekanntmachung der Absicht in dem Zeitpunkt, in dem der Deutsche Bundestag sich den (von einem Teil der Abgeordneten) eingebrachten Beschlussantrag auf Einleitung eines Antrags auf Überprüfung der Verfassungswidrigkeit einer Partei durch die Zustimmung mit der erforderlichen Mehrheit zu eigen macht. Nach den verfassungsgerichtlich entwickelten Grundsätzen des Gebotes strikter Staatsfreiheit müsste die Abschaltung der V-Leute bzw. der Abzug der verdeckten Ermittler damit spätestens zum Zeitpunkt der Zustimmung zum Beschlussantrag vollzogen sein.
Für den Deutschen Bundestag bedeuten die durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten (zeitlichen) Anforderungen des Gebotes strikter Staatsfreiheit folglich eine Herausforderung (vgl. nicht entscheidungstragende Mehrheit BVerfGE 107, 339 [393]). Denn in den horizontalen und vertikalen Strukturen der verfassungsrechtlich organisierten Gewaltenteilung kann der Deutsche Bundestag keinen direkten Einfluss auf Entscheidungen und Maßnahmen nehmen, welche durch die der Exekutive zugeordneten Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern zu treffen sind (vgl. nicht entscheidungstragende Mehrheit BVerfGE 107, 339 [393]). Ein unmittelbares Einwirken auf das »Ob« und »Wann« der Abschaltung von V-Leuten bzw. des Abzugs von verdeckten Ermittlern ist daher nicht möglich. Der Deutsche Bundestag selbst kann folglich weder zum Zeitpunkt der Zustimmung zum Beschlussantrag (öffentliche Bekanntmachung der Absicht) noch überhaupt die strikte Staatsfreiheit der vom Verfahren betroffenen Partei sicherstellen (vgl. nicht entscheidungstragende Mehrheit BVerfGE 107, 339 [393]).
Dieser Umstand führt zwar nicht dazu, dass auf das rechtstaatliche Gebot der strikten Staatsfreiheit im Falle eines Antrags durch den Deutschen Bundestag zu verzichten ist, kann zugleich aber auch nicht bedeuten, dass die verfassungsrechtlich indizierte Berechtigung des Deutschen Bundestages das Verfahren gem. Art. 21 Abs. 2, 4 GG als Antragsteller zu betreiben, praktisch leerläuft. Die Lösung ergibt sich zum einen unter Heranziehung der verfassungsrechtlichen Grundsätze der Organtreue und des bundesfreundlichen Verhaltens sowie zum anderen aus einer bestimmten Gestaltung des weiteren Verfahrens nach Zustimmung zum Beschlussantrag über das Verfahren zur Überprüfung einer Partei auf ihre Verfassungswidrigkeit. In Kombination räumen sie die Gefahr eines Verfahrenshindernisses aus.
So begründen zunächst die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Organtreue und des bundesfreundlichen Verhaltens relevante Kooperations- und Rücksichtnahmepflichten der Bundesregierung und der Länder mit bzw. gegenüber dem Deutschen Bundestag (vgl. zu Kooperationspflichten zwischen Bundesorganen etwa BVerfGE 35, 257 [261 f.]; zur Rücksichtnahme auch BVerfGE 45, 1 [39] und BVerfGE 35, 193 [199]; zur Kooperation im Rahmen des bundesfreundlichen Verhaltens BVerfGE 35, 257 [262], zur Rücksichtnahme BVerfGE 119, 96 [125] mwN.). Im Fall eines durch den Deutschen Bundestag betriebenen Verfahrens folgt aus diesen Grundsätzen, dass spätestens mit der Zustimmung zu dem entsprechenden Beschlussantrag eine Pflicht der Bundesregierung sowie der Landesregierungen entsteht, auf den in ihrer Macht liegenden zeitnahen Eintritt des für einen hindernisfreien Fortgang des Verfahrens notwendigen Zustand der strikten Staatsfreiheit hinzuwirken. Konkret bedeutet dies, dass die Bundesregierung und die Landesregierungen, erstens, auf ihre jeweiligen Verfassungsschutzbehörden einwirken, sodass diese unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zur Abschaltung von V-Leuten und zum Abzug von verdeckten Ermittlern aus den Führungsebenen der betroffenen Partei ergreifen und, zweitens, dem Deutschen Bundestag nach Abschluss der erforderlichen Maßnahmen den Eintritt des Zustands der strikten Staatsfreiheit versichern.
Unabhängig von einer solchen ausdrücklichen Versicherung (und unter der Voraussetzung, dass dem Deutschen Bundestag nicht ausdrücklich das Gegenteil mitgeteilt wurde), kann der Deutsche Bundestag auch dann von der Herstellung des Zustands der strikten Staatsfreiheit ausgehen, wenn seit seiner Beschlussfassung eine Frist von zwei Monaten abgelaufen ist. Nach den Informationen des Deutschen Bundestags beläuft sich die vom Bundesverfassungsschutz und von den Landesverfassungsschutzbehörden benötigte Zeit für eine Abschaltung von V-Leuten bzw. einen Abzug von verdeckten Ermittlern grundsätzlich auf zwei Monate.
Der verbleibenden Herausforderung die strikte Staatsfreiheit auch rechtzeitig herzustellen (heißt die problematische zeitliche Diskrepanz zwischen Zustimmung zum Beschlussantrag und der durch Bundesregierung und Landesregierungen umzusetzenden Abschaltung der V-Leute bzw. des Abzug der verdeckten Ermittler angemessen aufzulösen), begegnet der Deutsche Bundestag, indem er das weitere Verfahren nach der Zustimmung zum Beschlussantrag und bis zum Eintritt der strikten Staatsfreiheit auf eine die (Prozess-)Rechte der betroffenen Partei maximal schonende Weise gestaltet bzw. vorübergehend aussetzt. So beschließt der Deutsche Bundestag in Anerkennung seiner ihm durch die Antragsberechtigung aus § 43 Abs. 1 BVerfGG zugewiesenen Verfahrensverantwortung (vgl. BVerfGE 107, 339 [369]), dass die Präsidentin des Deutschen Bundestages das Verfahren – nach der initialen Zustimmung zum Beschlussantrag – erst dann weiter betreiben sollt, wenn Bundesregierung und Landesregierungen dem Deutschen Bundestag den Eintritt des Zustands der strikten Staatsfreiheit versichert haben oder von der Herstellung des Zustands der strikten Staatsfreiheit mit dem Ablauf von zwei Monaten nach der Beschlussfassung des Deutschen Bundestages ausgegangen werden kann. Dieses Abwarten umfasst insbesondere auch die Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten mit der verfassungsgerichtlichen Antragstellung, Begründung und Prozessführung.