A Memoir
Jetzt kommt die Gegenseite zu Wort. Knapp zehn Jahre später. Also mit gebührendem Abstand und beruhigten Nerven. Oder?
Natürlich heißt das Ding wieder »Sonic Life«, wie schon das Label-Fanzine und das italienische Büchlein, weil schließlich das ikonografische Kreuz-Tattoo auf seinem Oberarm so lautet. Und sein Lebens-Motto vielleicht, denn tatsächlich ist das Tattoo so eine Art Hochzeits-Manifest oder so, so ganz hab ich das nicht verstanden, was für eine US-amerikanische Tradition er da halb ironisch gebrochen befolgt hat.
Unterhaltsam geschrieben jedenfalls, auch wenn ich nicht immer alle slangigen Adjektive verstehe, aber das ist ja auch nicht unbedingt notwendig. Hauptaugenmerk der knapp 500 Seiten liegt auf den frühen Jahren, an die er sich mit erstaunlicher Genauigkeit erinnern kann. Ich erinnere mich nicht mit solcher Detailtreue an die ersten Proben, Auftritte und Backstage-Räume meiner Band. Oder hat er bei seinen Kumpels nachgefragt? In Zeitungen recherchiert? Weniger gesoffen? Tagebuch geführt? Geschwindelt? Namedropping natürlich auch enorm, aber wenn man Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger im subkulturellen Betrieb von Manhattan unterwegs war, konnte man offenbar all diese Leute treffen. Und später in den Neunzigern dann all die anderen.
Zur Trennung von seiner Frau schreibt er aber (besser is das) gar nicht viel, wie überhaupt die letzten Jahre in einem schneller werdenden Rutsch abgefrühstückt werden, aber das passt schon, es geht ja schließlich um ihn und sein Leben für den Rock ’n’ Roll und die Poesie, und nicht um Familiengedöns. Obwohl, Frau und Tochter und Mutter nehmen schon den gebührenden Platz ein in den Stories aus dem Leben eines Nicht-ganz-Rockstars.
Die Kapitelüberschriften sind vermutlich sogar alle angestrengt assoziativ und popkulturreferenziell und stammen, soweit ich das entschlüsseln konnte, zum Teil aus Sonic-Youth-Songs, zum Teil aber auch aus den Texten von anderen Bands, wie ich u.a. beim Recherchieren zu Lee Ranaldos Vor- und Nebenprojekten herausgefunden habe.
Hab ich von meiner Schwiemu zu Weihnachten bekommen. Leider ist das Paperback auf dem Nachhauseweg im Zug etwas zerknickt, weil ich die Stabilität der Papiertüte überschätzt habe, in der ich das Buch zwischen meine Wanderschuhe in den Rucksack gestopft habe. Spätestens beim Drücken und Quetschen, um den Reißverschluss überhaupt zuzukriegen, hätte ich ja doch mal schalten und nochmal umsortieren können, aber nee. Hab ich nun davon.
Passt jetzt übrigens gar nicht so richtig schön in das Bücher- und Zeitungen-Fach meiner Sonic-Youth-Sammlungs-Regal-Etage. Wird Zeit, dass die Kinder endlich ausziehen und ich mein eigenes Zimmer mit eigenem Regal (zurück)bekomme … Neenee! Aber vielleicht kann ich das Zeugs einfach mal umsortieren und anders stapeln, Luft ist da schon noch, nur ungünstig verteilt.