Blind Date Party

Band
Callahan, Bill & Bonnie ‘Prince’ Billy
Format
2 LP
Jahr
2021
Label
Drag City
Kennung
DC 803
Zusatz
Klappcover, 24-seitiges Heft

Krischan am

Die zwei Billys. Könnte ich mal wieder reinhören. Wenn sie schon so schön zusammenfinden. Und auch noch einen Riesenstrauß an weiteren Musikern einladen, um alte Gassenhauer zu covern. Und die Kritiken waren auch gut. Mal wieder was anderes, aber nicht gleich was ganz anderes. Genau richtig für mich alten Sack sozusagen.

Hab ich gedacht. Und dann isses wirklich eine ganz schöne Umstellung. Sanft schmeichelnde Musik ganz ohne Dissonanzen und Krachschlägerei und Aneckenwollen. Mit den zwei so schön unterschiedlichen Stimmen, einer jammerig feminin im Tenor, der andere männlich knarzend im Bariton. Mal singt der eine, dann spricht der andere, dann wieder beide oder noch ein ganz anderer. Dazu sacht schaukelnde Begleitmusik, die ganz im Hintergrund bleibt. Bisschen langweilig vielleicht, hm? Ach so, Cat Stevens.

Aber schon beim zweiten Song wirds deutlich interessanter, die Begleitung leicht elektronisch und vor allem viel perkussiver und der parallele Gesang der beiden Stimmen ein bisschen exaltiert. Sowas will ich hören. Aber siehste, da ist ja auch Matt Sweeney dabei. Und der dritte ist dann so ein countrylastiger, sich mühsam dahinschleppender Langeweile-Song, wie man ihn so ähnlich von den alten Will-Oldham-Sachen auch schon kennt. Und wer ist als Gast dabei? Alasdair Roberts.

Weiter gehts mit einem gemütlich säuselnden Smog-Song. Feine Sache manchmal. (Ich versuch ja seit geraumer Zeit, eine der mittelalten Smog-Platte mitzubestellen, aber nie sind die vorrätig.) Dann wummst es auf einmal kurz, und es geht etwas elektronischer weiter. Echo auf der Gitarre und spielerische Synthesizer-Eier-Töne. Kann man machen, aber doch nicht so albern diskopoppig so wie im Refrain! Igitt. Warum? Einfach so? Ohne zu überlegen? Na gut. Danach wirds nach einem ruhigen Einstieg glatt ein bisschen rockig, so mit angezerrten Gitarren hinter der Akustik-Klampfe und Riffs und richtigem Schlagzeug. Und fast schon an Heavy Metal erinnerndem Gejodel, ist ja putzig. Aber tatsächlich ein Bill-Callahan-Song, und kein Cover.

Lou Reed kann man auch covern, das ist gar keine Frage, klingt hier aber mit den Staccato-Gitarren und den klappernden Rasseln und dem Geklatsche verblüffend spanisch. Oder griechisch? Der Gastmusiker Γιώργος Ξυλούρης heißt mehr so in die Richtung. Nett, aber bisschen langweilig. Aber halt auch ganz schön lang. Der folgende Liedermacher-Song setzt ganz altmodisch auf Akustik-Gitarre und Bill Callahans Stimme. Und erzählt eine berührende Geschichte.

Noch ein langes Stück am Ende der zweiten Seite: unter Beteiligung von David Pajo. Bisschen sehr kitschig aufgemacht und von Will Oldham schwelgerisch intoniert, aber es geht ja auch um die große Liebe. Glaub ich. Saxophon muss ganz klischeegerecht auch mit rein.

Die zweite Platte startet mit einem kleinen, in meinen Ohren nach Neil Young klingendem Orgelpathos hinter den beiden im Duett singenden Stimmen. Der Zwischenteil artet nach und nach aus in ein verwirrendes Geknäuel aus dem gleichförmig weiterlaufenden Schellen-Rhythmus einerseits und wirbelndem Georgel und lauter komischen Störspuren andererseits. Nach einer weiteren Strophe ausgedehntes schiefes Gequietsche und Falsettgejaule. Hat was traumsequenzhaftes. Findsch guddi.

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Weiter gehen tut’s dann wieder bodenständig liedermachermäßig mit dezenter Klampfe und knarzendem Gesang. So schön kann das sein. Im Gegensatz zum merkwürdigen Motivations-Pop mit Nerv-Gitarre danach. Ist bestimmt irgendwie ironisch gemeint; ich kann damit trotzdem nicht viel anfangen. Muss ich ja auch nicht. Weil dem ein Iggy-Pop-Cover folgt. Das zwar auch mit Pop-Elementen spielt, aber dabei so verschroben vorgeht, dass es interessant wird/bleibt.

Ein Trucker-Song. So richtig mit Slide-Gitarre und Geige und Background-Chor und Gejodel. Damit kann ich eigentlich auch nichts anfangen, bilde mir aber ein, es ganz putzig zu finden, wenn es nicht von einem echten ernsthaften Country-Musiker kommt. Sondern so halb ironisch von einem irgendwie alternativen Musiker gecovert wird. Albern. Aber Kontext spielt halt doch immer eine Rolle, auch eingebildeter.

Ein Will-Oldham-Cover. Das wegen der Beats und dem anderen Sänger und der fehlenden Melodie und des sowieso ganz anderen Arrangements gar nicht zu erkennen ist. Wenn man den Text nicht auswendig weiß. Durchaus interessant. Das Leonard-Cohen-Cover danach nicht ganz so, trotz der Miwirkung von David Grubbs. Und das komische vielstimmige All-Star-Rock-Ding (alle Gäste singen zusammen, wer hat denn immer wieder diese selbe Idee?) danach erst recht nicht. Obwohl das ja irgendwie aus der Pavement-Ecke kommt.

Kurz vorm Ende ein intimes stilles Lied mit wenig Gitarre und warmem Bass und dezenten Blobs hinter den beiden ruhigen Stimmen. Und dann noch ein eher ruhiges Stück, das aber mit den Gute-Laune-Vibes und Bläsern in den Zwischenteilen ein bisschen nervt. Ist aber trotzdem nett.

Ein fetter Batzen Doppelplatte ist das also. Und so schön bunt hier. Lustige Kinderzeichnung vorne, alberne Foto- und Comic-Collage innen drin, schraffierte Zeichnung hinten, und ein dickes Heft voller Fotos, Video-Schnappschüsse, Malerei, Song-Lyrics und Liner-Notes der musikalischen Gäste als Beigabe; hinten drauf sind die Komponisten der Songs.

Aber das Vinyl ist schwarz.

Und kein Download. Bei dem Preis. Naja.

Hatte ich erwähnt, dass ich bis auf das Will-Oldham-Teil keines der Lieder im Original kenne? Müsste ich mich da jetzt mal kümmern? Und nachhorchen? Um meine Rezeption besser einordnen zu können? Was ich da im Begleitheft lese, kling ja ganz interessant, was den Ansatz betrifft, einfach die ganzen Leute per E-Mail aufzufordern, einen bestimmten Song neu einzuspielen, und zwar ohne weitere Informationen und frei Schnauze so, wie sie denken, dass es richtig ist. Da kommt ja auch der Album-Titel her. Und dann haben die beiden Billys den Rest beigesteuert. So gesehen ist es schon erstaunlich, dass das Album gar nicht so sehr zusammengestückelt wirkt.

Tracks

  1. Blackness Of The Night
  2. OD’d In Denver
  3. I’ve Made Up My Mind
  4. Red-Tailed Hawk
  5. Wish You Were Gay
  6. Our Anniversary
  7. Rooftop Garden
  8. Deacon Blues
  9. I Love You
  10. Sea Song
  11. I’ve Been The One
  12. Miracles
  13. I Want To Go To The Beach
  14. Night Rider’s Lament
  15. Arise, Therefore
  16. The Night Of Santiago
  17. The Wild Kindness
  18. Lost In Love
  19. She Is My Everything

Links