Amusement Park

Band
Gaffa
Format
LP
Jahr
2003
Label
Manic Music, Doxa
Kennung
MMXA 0317 LP

Krischan am

Wo wir uns grad eben noch drüber unterhalten hatten, dass ja so ein paar Sachen, die man sich ewig nicht mehr und dann neulich doch mal wieder angehört hat, dass die ja echt nicht schlecht sind, sogar richtig gut, zum Beispiel Gaffa, kennste noch, da hab ich jedenfalls gleich am Tag drauf nochmal nachgeguckt, ob man die Platten nicht doch endlich mal günstig kriegt, außer der letzten CD hab ich ja nix von denen in meinem Regal, aber ich hab sie ja sowieso in meiner Beobachtungsliste bei discogs, und siehe da, da isse auch schon eingetrudelt. In nahezu fetzigem Zustand, noch eingeschwissen, mit einer fast gar nicht wahrnehmbaren Andeutung eines Knicks in der linken oberen Ecke und nur einem kleinen Riss in der Innenhülle, die aber eh nur so eine unbedruckte Standard-Papierinnenhülle ist, also zu vernachlässigen bzw. ohnehin nicht echter Bestandteil der Bewertung.

Habsch ja seit Ewigkeiten schon digital, weil Katharina seinerzeit die Nachfolge-Platte grafisch betreut hat und die Plakate zur Tour und sonstigen Merch-Kram auch, und ich neben einem kleinen Plakat aber vor allem die Website, die es inzwischen aber nicht mehr online zu sehen gibt, ist ja lange her, dass es die Band schon nicht mehr gibt und die Nachfolgebands auch schon nicht mehr, jedenfalls hatte ich seinerzeit eine Website für die Band gebastelt, noch so richtig schön mit Frames und Tabellen und Popups und so Zeugs, das man heute gar nicht mehr verwenden darf, wenn man was auf sich hält und schon mal was von semantischem und barrierefreiem Web gehört hat, aber damals waren das halt noch notwendige Krücken zum Erreichen des Gestaltungsziels, und man konnte sich da auch Sachen bestellen, Buttons und Shirts und so, und ein paar Sachen zu den Diskografie-Einträgen konnte man sich auch runterladen bzw. anhören, und spätestens dafür hab ich dann die CDs alle vorliegen gehabt und gerippt, aber als Plattenfreak will ich die natürlich jetzt lieber mal in echt und physisch greifbar in meinem Regal stehen haben. Bitteschön dankeschön.

Hier könnte eigentlich ein Bandcamp-Player hin.

Die Musik, Junge, es geht doch bei der Platte um die Musik, nicht um die ollen Kamellen aus der Zeit vorm Kriech. Soll ja Leute geben, die kennen Gaffa gar nicht. Erzähl domma. Legendäre Band aus Dresden, Nachfolger von Need A New Drug und so, aber außerhalb Sachsens sind die ja einer breiteren Bevölkerung eher nicht allzu bekannt. Typische Gitarren-Musik aus den späten Neunzigern / frühen Nullern eigentlich, mit den dazugehörigen Laut-Leise-Wechseln, kombiniert mit der dresdeneigenen Langsamkeit / Melancholie / Tranigkeit und kleinen experimentellen Schnipseln aus jazzigem Getue und rockigen Allüren. Bisschen Grunge vielleicht, bisschen Alternative oder so, dabei aber knackig und in der Dreierkonstellation minimal und auf den Punkt. Schön knarziger Bass von Heiko Schramm, bei Bedarf knallhartes Schlagzeug von Jörg Schneider, in den Hintergrund gemischter lakonischer Gesang und die immer leicht angeschrägte Gitarre von Jens Berger: das war mir immer ein Hauch der richtig gut gemachten, interessanten, modernen Rock-Musik aus der großen weiten Welt in der beschaulichen und im Zweifel rückwärtsgewandten Dresdner Gemütlichkeit. Ich fand die Parallelen zu Chokebore immer recht deutlich, auch was den Sound und den schiefen Gesang und die verzerrten Disharmonien angeht, aber da werden Fans anderer Bands wohl was anderes raushören.

Das vorletzte Stück ein besonders melodiearmes Experiment mit Feedbacks, rumpeligen Jazz-Drums, holperigem Basslauf in Endlosschleife und gequältem Genuschel, nach viereinhalb Minuten unterbrochen von einem noisigen Lärmausbruch und schließlich beendet mit albernem Vogelgezwitscher. Und das letzte, ein zehn Minuten langes, wunderbar rund laufendes minimalistisches Stück aus stoischem Standard-Rock-Beat und einzelnen, kaum hörbaren Akkorden, nach einiger Zeit ergänzt um eine mehrmals wiederholte und in ihrer Inbrunst fast unbeholfen wirkende Gedichtrezitation von Heiko – das fand ich damals im Grunde immer am besten, auch live als letztes Stück super gemacht, da hat sich Berger wahrscheinlich geärgert, als ich ihm das mal gesagt hab. Aber diesem Beat könnte ich wirklich auch noch länger zuhören, wie er da nach Heikos Haiku noch ein paar Minuten ungestört weiterläuft und läuft und läuft …

Diesmal nicht zu Hause in Dresden aufgenommen, sondern im Loundry Room Studio in Hückelhoven, wo immer das ist (das ist das Studio von Drummer Jörg, der kommt von da), und zwar von Guido Lucas, der für solche Musik ja ein besonderes Händchen hatte und manchen schon als ein deutscher Steve Albini galt, weil er ähnlich auf analoge Technik gesetzt und auch den Schlagzeug-Sound nicht gar so verkünstelt hat wie sonst immer üblich. Jörg war mit seiner vorherigen bzw. anderen Band Les Hommes Qui Wear Espandrillos (bei der Guido Lucas zeitweise auch mitgespielt hat) schon ab und zu dort bzw. mit ihm in einem anderen, nämlich dessen eigenen Blubox-Studio, da war die Idee wohl naheliegend, auch mit der Dresdner Band mal was neues auszuprobieren und nicht immer alles bei Eddi und/oder Qno machen zu lassen. Und bei dem Ergebnis muss man auch sagen: richtig so!

Tracks

  1. I’m Fine
  2. The Singing Sword
  3. First Song
  4. Laundry Room
  5. Amusement Park
  6. Stay At Home
  7. Silence Is So Full Of Sounds (Stand By)
  8. Key Turning, Door Squeezing, Door Closing
  9. Almost Over Now
  10. The Haiku Song

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