Jetzt aber. Gestern bin ich ja den ganzen Tag nicht zum berichten gekommen, weil ich auf Arbeit tatsächlich mal was zu tun hatte und nachmittags Laterne laufen und Würstchen essen und Glühwein trinken und abends beizeiten ins Bett fallen musste. Denn müde war ich gestern, nachdem ich früh erst nach eins ins Bett gekommen bin, weil ich ja schon wieder mal bei einem Konzert war.
Nach Thurston Moore vor ziemlich genau zwei Jahren in der Volksbühne und Kim Gordon letzte Woche im Bi Nuu war nämlich vorgestern Lee Ranaldo im Lido und hat Steve Shelley als Drummer seiner Begleitband The Dust gleich mitgebracht. Und eine Vorband, deren Namen schon öfter als Vorband von Sonic Youth aufgetaucht ist, deren Musik ich aber glaubich noch nie gehört habe. Aber der Reihenfolge nach:
Die Hinfahrt war schon putzig, als die M10 nur bis zur Landsberger Allee in regulärer Linienführung fuhr, dort aber ankündigte, in Richtung Lichtenberg abzubiegen, was zu lautstarkem Gepöbel eines angeheiterten Assis mit Iron-Maiden-T-Shirt unter der Lederjacke und langen Haaren unterm Basecap führte, von wegen für die Touristen und Kanacken wäre Geld genug da, aber die Eingeborenen nach Hause fahren, und wenn er was zu sagen hätte, dann sähe es in diesem Land ganz anders aus. In der kurz darauf eintreffenden Geradeausbahn wurde dann noch wer wegen dämlicher Sitzhaltung angeschnauzt.
Bekannte Gesichter hab ich diesmal im Lido nicht gesehen, und die Magik Markers waren nicht so toll wie erhofft. Weniger schräg als gedacht, eher so Lofi-Noise-Geschrammel aus den Neunzigern, mit verzerrtem Bass in hypnotischen Zwei-Ton-Linien und indifferent sägender E-Gitarre, dazu prima hysterischer Gesang der Frontfrau, der in seiner Exaltiertheit aber leider des öfteren zu esoterisch und/oder pathetisch wurde. An das Schlagzeug kann ich mich nicht mehr erinnern.
Der Umbau für die Hauptband zog sich trotz bzw. wegen fast ausbleibenden Geschehens auf der Bühne eine ganze Weile hin, aber gegen elf kam dann der grauhaarige und -bärtige Lee Ranaldo im schicken schwarzen Hemd auf die Bühne, und los ging es ausgerechnet mit dem dämlichen Opener der neuen Platte. Insgesamt aber wars live besser als befürchtet, die doofen Lieder waren zwar immer noch doof, aber die okayen und die guten waren viel besser. Der Basser war prima, Steve Shelley wird immer dicker und amerikanischer, der Gitarrenjunge auf der Seitenbühne war offenbar Lees ältester Sohn Cody, und Alan Licht ist bestimmt ein prima Musiker, der auch in anderen Projekten mit Lee Ranaldo zusammenspielt, seine Beiträge zu dieser Band halte ich aber für verzichtbar: die ganzen doofen Kitsch-Soli stammen tatsächlich alle von ihm.
Die gespielten Songs stammen alle von den beiden letzten Alben, soweit ich mich erinnern kann. Sonic-Youth-Songs natürlich keine. Bei der Zugabe gab es noch ein umständlich angekündigtes Cover von Jonathan Richman, und ziemlich genau um Mitternacht war endlich schluss.
Zum Abschied hab ich dem Basser der Vorband noch Lee Ranaldos Demo- und Probenmitschnitt-Doppel-CD abgekauft, weil da die schönen Lieder nochmal in mehreren anderen Versionen drauf sind.
Wie üblich ist die Bahn bei der mitternächtlichen Rückfahrt viel voller als am frühen Abend, diesmal mit einem kleinkriminellen Angeber im Gepäck, der mir zunächst ans Herz legte, den abgestempelten Fahrschein lieber nochmal zu kontrollieren, die würden doch immer bescheißen, später lauthals die Leute anblaffte und damit angab, demnächst in deren Keller einzusteigen und dann würden sie aber gucken. Als nebenan ein augenscheinlich Osteuropäer mit seinem eigenen Rausch zu kämpfen hatte, wusste Angeber im sofort vom Zaun gebrochenen Streit zu bedauern, dass er leider kein Rassist sei, aber er könne ihm ja das nächste Mal die Brieftasche abziehen, Alter. Anderthalb Stationen später haben sich die beiden natürlich prima verstanden.
JOpa am 16. November 2013
Danke!
Als ob man dabeigewesen wäre.
JoPa