Dabei hat Neànder gespielt. Die Band, die mir Katharina ja überhaupt erst ans Herz gelegt hatte seinerzeit. Das ist freilich gar kein Black Metal. Also überhaupt nicht. Naja, Metal ist da zwar schon mit drin, aber eben doch nicht so! Na wurscht.
Jedenfalls haben wir nämlich unseren Urlaub doch so legen können, dass wir hingehen konnten. Die offizielle Ankündigung der österreichischen und/oder ungarischen Bahn war ja so, dass der Nachtzug nach Budapest überhaupt erst nach Ostern verkehrt, und wenn man da eine Woche fahren will, ist man halt am Freitag danach noch nicht wieder da. Und dann hieß es aber noch warten auf die Möglichkeit, überhaupt online an die Buchung ranzukommen, das ginge wohl erst ein paar Wochen vorher los. Ging es aber nicht. Dafür war das dann telefonisch möglich, und zwar schon zum Karfreitag, so dass wir eine Woche drauf pünktlich zur Mittagsstunde wieder da sein würden. Supi.
Ausgeschlafen waren wir da natürlich nicht, weil man/ich in so einem ruckelnden und rumpelnden Zug auf so einer harten und schmalen Pritsche ja nicht schläft, zumal wenn kein Platz für die Füße von Über-Einsachtzig-Menschen eingeplant ist, aber dieses Schlafen wird ja auch total überbewertet. Zumal der Witz am Zugfahren zumindest für mich ja schon darin besteht, aus dem Fenster zu gucken und die Landschaft zu genießen. Oder wenigstens die in der nächtlichen Beleuchtung gar nicht so unterschiedlich aussehenden Bahnhöfe in Deutschland, Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn.
Die Kinder und Jugendlichen haben sich dann jedenfalls rechtzeitig mit Material für ihren sturmfreien Abend versorgt und wir zwei sind nach dem Abendbrot losgedackelt. Wo sich das Cassiopeia im RAW-Gelände ungefähr versteckt, wusste ich noch vom D.R.I.-Konzert, das ich dort vor vielen Jahren mal besucht hatte. Dachte ich jedenfalls, hab auch nochmal auf der Karte nachgeguckt, aber trotzdem sind wir dann im Nieselregen um die Pfützen hüpfend ein-zwei mal falsch abgebogen, auch weil man dann hintenrum gar nicht durchkam und es ja selbstverständlich keine wegweisenden Schilder braucht in diesem nur für eingeweihtes Publikum gedachten Chaoten-Sauhaufen. Jawoll. (Ja, richtig, wenn man davorsteht, stehts dran, wenns also nicht dransteht, steht man woanders, das hat schon auch seine eigene Logik.)
Dann stand da am Einlass-Tresen »ausverkauft« dran. Aber wir hatten ja schon Online-Tickets. Also Handy vorgezeigt, zur anderen Tür wieder raus, um die Ecke und die Außentreppe hoch. Drinnen siehts jetzt anders als vor zehn-zwanzig Jahren oder wann das war mit dem o.g. Revival-Konzert. Die Treppe ist immer noch mitten im Raum, aber der ist jetzt irgendwie unterteilt und die Bühne für den Auftritt sowieso unten in einem anderen Raum. Katharina hat ihre Jacke und Mütze und Schal abgegeben und uns zwei Bierchen besorgt (als Pfand-Marke gabs verschiedene Buttons, so dass sich das Behalten oder Vergessen tatsächlich auch lohnen täte) und dann sind wir gucken gegangen. War noch ganz leer. Das mit dem ausverkauft war wohl doch nur ein Insider-Witz.
Pünktlich um acht fing eine Vorband an zu spielen. Nur zu zweit, ein bärtiger Schlagzeuger mit Mikro unter der Mütze und allerlei Becken um das Drumkit verteilt sowie eine merkwürdig gewandete Bassistin, die aber aus unsichtbaren Quellen (oder warens die albernen Schlangenskulpturen am linken Bühnenrand?) sphärisch-eintönige Keyboard-Klänge als Unterstützung ihres bratzelnden Krachs beziehen konnten. Nicht so ganz schlecht, hat mich teilweise an Killed On X-Mas erinnert, was die düster-brachiale Stimmung, die niedrigen bis mittleren Geschwindigkeiten, den verzerrten Gesang und das minimalistische Arrangement angeht. Vom Sound her tatsächlich ein bisschen blackmetalig, aber auf Dauer doch ein bisschen eintönig, was ich vor allem auf die offenbar von niemandem detaillierter gesteuerten Synthesizer-Flächen schieben würde. Grin hießen die und waren aus Berlin. Brauchen die vielleicht noch einen zweiten Bassisten? Obwohl, das ist ein Pärchen, sagt das Internet.
Im Nebenraum war neben dem Tresen ein Merchandise-Stand mit allerlei Platten, CDs und T-Shirts, bei dem sich viele Leute mit neuen Klamotten eingedeckt haben, inklusive Anprobieren und Kommentieren. Die neue Neànder-Single sollte aber offenbar 15 Euro kosten, das war mir zu viel. Und sowieso kauft man sowas ja erst hinterher, sonst leidet das gute Stück ja nur. Die T-Shirts mit dem Rüsselkäfer waren vom Motiv her zwar ganz schick, aber das war dann halt wie in Metal-Kreisen üblich nahezu vollflächig riesig auf dem Shirt platziert, das fetzt für mich nicht, und für Katharina auch nicht.
Es wurde immer voller, also wohl doch tatsächlich wirklich ausverkauft. Wer kennt die Band denn noch alles? Hat der Fernsehauftritt im Rockpalast was gebracht? Wir haben uns beizeiten einen Platz in Bühnennähe gesichert, und dann wurde gewartet. Worauf eigentlich? In der Zwischenzeit lief alberne Rockmusik aus den Sechzigern und Siebzigern, und immer wieder stiefelte ein Techniker mit Motorpsycho-Schriftzug auf dem Arm über die Bühne und steckte da was rein und legte dort ein Kabel und überprüfte woanders was ganz anderes. Dass der albern tätowierte und mit langen Haaren und Oberlippenbart und ärmellosem weißem T-Shirt versehene Hühne, der wie aus einem klischeebeladenen Comic ausgeschnitten schien, mit zur Band gehört, hatte ich nicht auf dem Schirm, erst als sie dann effekthascherisch auf die Bühne gestiefelt kamen und sich ihre drei Gitarren (kein Bass, nanu) umhängten. Er war dann auch derjenige, der in der Mitte stand und ein Mikroständer vor der Nase hatte, um seine gutgelaunten Ansagen machen zu können, die ebenfalls wie aus einem Klischeefilm entnommen waren. Putzig. Und für mein Gefühl nicht passend zur postrockigen Musik mit kontemplativen Elementen, aber wenn man sie tatsächlich als Metal-Band begreift, passt es wie die Faust aufs Auge.
Das Publikum fing quasi sofort an zu kiffen, vor allem ein Pärchen direkt vor uns, eine aufgedrehte Lulatsch-Blondine mit ihrem geduldigen Wuschelkopf-Begleiter. Sie war eindeutig mehr mit sich beschäftigt als mit der Band, aber am Abhotten war sie trotzdem immer wieder, offenbar nicht immer unbedingt zum Wohlgefallen aller Umstehenden. Irgendwann musste dann auch ich mir meine Jacken ausziehen und um die Hüfte schlingen, so warm war es in dem nicht allzu großen und jetzt eben recht dicht gefüllten Raum geworden. Auch die Band war am Schwitzen, was ihrer Freude über ihr erstes ausverkauftes Konzert nur unterstrich. Und die Mama des Ansagers wurde noch gegrüßt, da war er sich sicher, dass sie hier irgendwo im Publikum versteckt sei, und Katharina meinte später auch, sie hätte ein älteres Paar bemerkt, das sie für Musiker-Eltern zu halten bereit war. Der Rest des Publikums war ja eher jünger, so wie die Band auch, und stilistisch eher uneindeutig bis undeutlich, ein paar Oldschool-Metaller mit Aufnäher-Westen und Nietengürteln gab es aber auch zu bestaunen, auch solche in vorgerücktem Alter. So solls sein.
Dann hieß es auf einmal, es gäbe Zeitdruck und nur noch einen Song, und das war dann aber der viertelstündige letzte Song des letzten Albums. Woher dieser Zeitdruck stammte, wurde nicht erklärt, irgendwelche verspießerten Anwohner konnten es ja nicht sein. Warum man dann nicht einfach ein paar Minuten eher angefangen hat, aber auch nicht. Nach dem Konzert war aber beizeiten Gewummse aus einem benachbarten Raum zu hören, da war wohl Disko; ob die empfindlich gestört wird, wenn woanders auch Krach ist? Oder ging es nur um die Lenkung der Publikums-Ströme? Vor einer Tür saß einer auf einem Stuhl und schickte die Leute in verschiedene Richtungen, und die Treppe wurde dann ja auch langsam abgeriegelt.
Auch im oberen Raum sollte offenbar eine Disko stattfinden, Pulte wurden von Decken befreit, Kabel wurden gelegt und Stecker gesteckt. Wir saßen noch ein bisschen rum und haben die Atmosphäre genossen und die Musik kritisiert, mit der die Indie-Disko da starten sollte und es dann im Laufe der Zeit mit dem üblichem Mädels-Paar als erste Tänzer auch tat. Vorher tauchte noch ein Herr auf, der Katharina zu erkennen glaubte, ein Mitarbeiter eines früheren Kunden, wie sich herausstellte, ein zum Abend passendes Neurosis-T-Shirt tragend.
Irgendwann haben wir uns dann aber auf den Weg gemacht. Katharina hat am sudanesischen Imbiss-Stand noch einen Chicken-Halloumi mit Erdnusssoße bekommen, später am Späti Ecke Greifswalder/Danziger gabs noch Bierchen und Knabbereien für zu Hause, weil wir ja noch gar nicht ins Bett wollten, und die Mediathek hat uns dann noch mit einem Böhmermann zum Thema bescheuerte Weltrekorde unterhalten.
Krischan am 21. April 2023
Und jetzt mal bitte einen Absatz ohne die vielen Auchs und Abers und Danns.
Krischan am 21. April 2023
Die Setliste erinnert mich dann aber auch daran, dass es nach dem letzten Stück auf recht kurzen Applaus hin noch eine Zugabe gab.