Treibsand im Kamin

Wir waren auf einem Konzert.

Krischan am

Mein zweiter Besuch im SO36. Das gibt’s ja auch noch. Nicht überall müssen die Clubs schließen, weil’s den neuen Anwohnern zu laut ist oder die Mieten ins groteske steigen.

Quicksand hatte ich ja schonmal verpasst und mir hinterher in den Arsch gebissen, aber diesmal habe ich die Karte erstens schon längst online gekauft gehabt und zweitens auch grad gar keine Erkältung, obwohl es ja seit ein paar Tagen schlagartig Herbst geworden ist nach all den viel zu warmen Wochen im September.

Und diesmal waren wir wieder zu zweit. Blieb aber auch dabei. Keine bekannte Nase weit und breit, der Club aber trotzdem ordentlich gefüllt. Mit vorwiegend älterem Publikum, was aber bei einer Band aus den Neunzigern kein Wunder ist. Wobei, in den Neunzigern zwei Platten rausgebracht und in den Zehnern/Zwanzigern auch zwei, das ist ja jetzt keine reine Reunion-Band mehr, sondern auch eine von heute. Hat sich aber in der jüngeren Generation nicht so erfolgreich rumgesprochen, wie’s aussieht. Macht ja nüscht.

Jedenfalls war noch nicht viel los, als wir eingetroffen sind, ich hab ja immer Hummeln im Hintern und will lieber zu früh als zu spät da sein, die Erfahrungen mit bummelnden Öffis oder sich in der Fahrzeit verschätzenden Mitfahrgelegenheitsanbietern haben Spuren hinterlassen, und heute wird ja auch immer so pünktlich oder sogar überpünktlich angefangen, da will ich lieber kein Risiko eingehen. Vor dem Club kaum Leute, drin dann auch nicht, kann man sich in Ruhe an den Rand setzen und gucken, was für Typen da so alles aufkreuzen. Am Merchandise-Stand gab’s nichts interessantes, die Pullis sahen alle doof aus, dabei hätte man aus den grafischen Vorlagen der Platten ja durchaus schicke Sachen machen können. Und auch bei dem Kram von der anderen Band des Abends: die Aufdrucke wie heutzutage immer viel zu groß.

Die Vorband hat dann recht pünktlich angefangen und klang im ersten Eindruck ziemlich gut: nichts neues, nichts eigenes, aber sehr gut eingebettet im Sound der Alternative- und Post-Irgendwas-Bands. Langhaariger Sänger, bemützter Gitarrist, beschlipste Bassistin, kasperiger Drummer. Der dritte Song dann ein bisschen diskopoppig, der vierte dafür noisiger und interessanter, danach stellte sich aber allmählich Langeweile ein, weil immer alles auf einem Level blieb, die Lautstärke, die Geschwindigkeit, der Sound, die Grundharmonie. Schade.

Sie waren eigentlich schon von der Bühne verschwunden, da tauchte der Schlagzeuger nochmal auf und redete sich um Kopf und Kragen, dass er noch neu in der Band sei und ob es uns gefallen hätte und pipapo, und dann haben sie noch einen Song gespielt und wir haben uns nach hinten an den Tresen verkrümelt und uns ein Getränk besorgt. Um uns dann in der Umbaupause gegen den Strom nach vorne zu arbeiten, um bei der Hauptband wieder weit genug vorne zu stehen.

Die Hauptband war dann irgendwann auch auf der Bühne. Wieder so albern angekündigt wie neulich, mit Licht-aus und Ton-an, irgendwas dezent bombastiges mit Bläsern und Streichern, ich weiß gar nicht mehr genau. Ich wollte ja eigentlich aufpassen, von welchen Platten sie die Songs spielen, aber in Wirklichkeit weiß ich das bei den einzelnen Stücken ja gar nicht. Ein paar Klassiker von ganz früher waren auf jeden Fall dabei, ein paar meiner Lieblingslieder der zweiten Platte ebenfalls, und von den coolen neuen Sachen haben sie auch fast alles gespielt. Kamm man ni meckorn.

Der Bassist (langärmeliges Sweatshirt!) hatte gar keinen Bass umhängen, sondern eine E-Gitarre, möglicherweise ja eine Bariton-Gitarre, die aber ohnehin so metallisch verzerrt gespielt wurde, dass es schon gepasst hat: wenn es fett bassen sollte, hat es das gemacht, wenn es knarzig bratzeln sollte, dann eben das. Der zweite Gitarrist sah ein bisschen aus wie der Sänger von Codeine und trug ein T-Shirt, dessen um neunzig Grad gedrehter Schriftzug vom Gitarrengurt verdeckt wurde, so dass ich nicht erkennen konnte, ob da vielleicht »Helmet« draufstand. Der Schlagzeuger hat unaufgeregt seine Arbeit verrichtet, und der Walter am Mikro hat sein Haar wild geschüttelt oder ordentlich hinters Ohr gestrichen, je nachdem. Schien ihnen Spaß zu machen.

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Ja. Und dann war die Stunde auch schon wieder rum und nach einigem Gejohle und Gepfeife kamen sie für noch ein Stück raus, aber das darauf folgende erneute Gejohle und Gepfeife haben sie dann hartnäckig ignoriert, und nach einigen Minuten ging auch langsam das Licht an und wir haben zähneknirschend aufgegeben. War ja eigentlich noch gar nicht so spät.

Ich musste ja nicht an der Garderobe anstehen, weil ich meine Jacke noch dabei hatte, also musste ich draußen im Kalten rumstehen und warten. Und konnte dabei in den Plakaten schmökern, die für die Auftritte von Rummelsnuff, Stomper 98 und den Skeptikern warben. Aber nicht für Motorpsycho.