Fit fürs Schöffenamt II

Das ganze nochmal in Grün bzw. direkt im Gerichtsgebäude.

Krischan am

Gestern am frühen Abend war die andere, vielleicht etwas offiziellere Einführungsveranstaltung direkt am Gericht. Beziehungsweise eine davon: im Anschreiben des Amtsgerichtes waren zwei aufgeführt, für die man sich per E-Mail bewerben konnte, eine am 13. Februar um 15.30 Uhr und eine am 29. um 10.00 Uhr. Die Rückmeldung auf meine Anmeldung zur Teilnahme an der ersten war die Bestätigung für 17.30 Uhr am selben Tag, nanu, aber macht auch keinen Unterschied.

Der Handy-Alarm aus der Kalender-App hat mich eine Stunde vorher dran erinnert, dass ich jetzt losmuss, also hab ich mich fix angezogen, Zettel und Stifte und Papier und Wasserflasche eingesteckt und ab gehter. Noch schnell im Eckladen an der Danziger eine Packung Mentos geschnappt und an der Haltestelle angestellt. Und da musste ich dann eine ganze Weile warten, und dann kam die Bahn im Berufsverkehr natürlich nur zäh voran, also war ich wirklich erst kurz vor Beginn am Kriminalgericht. Schmale Straße mit wenig Verkehr, ich habe also nicht an der roten Fußgänger-Ampel gewartet, sondern bin direkt vom Bahnsteig aus ein paar Meter neben der Ampel über die Straße geseppelt und ins Gebäude hinein. Auweia, darf ich sowas noch? (Durfte ich das vorher?)

Kurze Schlange an der Sicherheitsschleuse. Ich konnte also in Ruhe die Schilder genauer lesen: links der Eingang für die Massen, wo man untersucht und kontrolliert und gescannt wird, rechts der Diensteingang für Leute mit Hausausweis und Schöffen mit Ausweis und Ladung. Mein hingehaltener Ausweis hat dem Beamten dann also verständlicherweise nicht gereicht, irgendeine Einladung oder ähnliches bräuchte er schon noch, damit er erkennen kann, dass es sich bei mir um einen Schöffen handelt. Die ganzen Gerichts-Briefe hatte ich ja aber mit, das hat dann gepasst.

Der »große Konferenzsaal«, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte, war dann aber gar nicht einer der zentral am bombastischen Treppenhaus gelegenen altehrwürdigen holzgetäfelten Verhandlungssäle, wie ich sie mir vorgestellt habe, sondern ein zwei Gänge links hinter und einmal um die Ecke gelegener flacher, nicht übermäßig großer Funktionsraum mit Akustikdecke und Raumtrennern, in dem etliche Stühle dicht gedrängt aufgestellt waren, von denen jetzt natürlich schon fast alle besetzt waren. Aber ich war ja angemeldet, vorne rechts war noch Platz. Dicke Winterjacke und Umhängetasche haben halb unter den Stuhl, halb zwischen meine Füße gepasst. Und dann ging’s auch schon los.

Der Herr Jacobs war wieder da und hat uns begrüßt und sich quasi bedankt, dass wir so interessiert seien, eigentlich wären ja nur zwei Veranstaltungen geplant gewesen, aber wegen des regen Zuspruchs waren es nun vier geworden und hier vorne ist auch noch Platz, Sie müssen nicht da hinten stehen. Die vielgerühmte Schöffenfibel läge auf den Tischen vorm Saal aus, die hatte ich tatsächlich auch gefunden und ein Exemplar eingesteckt und als den Leitfaden identifiziert, den man sich auf der Website herunterladen kann. Warum Herr Jacobs das Ding immer wieder Fibel nennt, obwohl es weder so betitelt ist noch unter diesem Namen gefunden werden kann (bzw. nur deutlich ältere Ausgaben), weiß ich nicht, einen Zwischenruf habe ich aber auch nicht für notwendig erachtet. Außerdem lägen dort Zettel für die Anwesenheitsbestätigung aus, blanko unterschrieben, da müssten wir bei Bedarf noch das richtige Datum und den Namen ausfüllen, wir wären ja hier als ehrenamtliche Richter vereidigt, soviel Vertrauen, da keinen Unsinn einzutragen, könne man uns dann ja wohl entgegenbringen.

Bis 19 oder 19.15 Uhr wäre wohl Zeit, so wäre das mit dem Sicherheitsdienst abgesprochen, für öffentliche Gebäude sei das ja keine reguläre Öffnungszeit mehr, und später komme auch noch ein privater Wachdienst, bis dahin sollten wir alle das Haus verlassen haben, also nach der Veranstaltung nicht noch das Haus besichtigen bitte. Gelächter.

Dann wie erwartet viel Zeug, das ich jetzt schon mehrfach gelesen und gehört habe, angereichert durch ein paar neue Fakten:

– Konkrete Kontaktinformationen der Schöffengeschäftsstelle und der Berechnungsstelle

– Schöffen sind für das ganze Jahr einem Richter zugelost, und zwar paarweise, man bleibt dann das ganze Jahr als Dreierteam zusammen. Die Geschäftsstellen haben aber alle mehrere Schöffenpaare. Im nächsten Jahr wird dann neu gelost. Wer noch nicht weiß, an welcher Geschäftsstelle er eingesetzt werden wird, kann das fast beinahe wie ein bisschen aus dem Geschäftszeichen der Gerichtspost ablesen, vor allem wohl aus dem Schreiben mit den Terminen: die ersten soundsoviel Ziffern und Buchstaben wären das passende Kürzel, mit dem ich als Laie aber auch genau gar nichts anfangen kann, Scherzkeks.

– Ein paar statistische Zahlen: 1650 Schöffen am Amtsgericht Tiergarten insgesamt, davon 400 Haupt-, 600 Ersatz-, 250 Jugendhaupt- und 400 Jugendersatzschöffen. Das Amtsgericht Tiergarten sei besonders groß und deutschlandweit das einzige, das nur Strafsachen verhandle. Das Gebäude heißt ja auch Kriminalgericht.

– Die Jahresladung sei spätestens ab nächstem Jahr tatsächlich gar nicht mehr so verbindlich, sondern nur noch eine Benachrichtigung, die konkreten Termine erfolgen dann immer mit einer konkreten Ladung. (Genau gestern ist auch meine Ladung (das Wort »Ladung« steht da aber nicht drauf) zum Termin nächste Woche eingetroffen.)

– Meine Vereidigung vor dem ersten Einsatz findet gar nicht im Hinterzimmer zwischen dem Berufsrichter und mir statt, sondern ist Teil der öffentlichen Verhandlung. Ui.

In den Fragerunden dann wieder viel uninformiertes Zeug, aber auch ein paar interessante Detailfragen. Zum Beispiel ist man nicht befangen, wenn man den Verteidiger kennt, es sei denn, man ist tatsächlich verheiratet oder ähnlich nah verwandt, dann ist aber nicht der Schöffe befangen, sondern der Verteidiger muss ausgetauscht werden. Für den Ablauf der Beratung gibt es natürlich keine Vorschriften, nur die bei der Abstimmung über Schuld- und Straffrage geltenden Mehrheitsverhältnisse, und offenbar gibt es da auch eine Reihenfolge, wann wer seine Stimme abzugeben hat: zuerst der jüngste Schöffe, zuletzt der vorsitzende Richter. Und die mir bis zu diesem Moment völlig unbekannte Ehrenamtskarte bekommt man als ehrenamtlicher Richter wohl eher nicht, weil man erstens nicht so viele Stunden im Jahr beschäftigt ist, wie vorausgesetzt wird, und man andererseits ja schon eine Entschädigung bekommt. Aber so genau wusste das der Herr Jacobs auch nicht.

Beim Gehen hab ich mir noch einen von den Teilnahmebescheinigungen geschnappt, auch wenn ich sie wohl gar nicht benötigen werde, und habe nochmal einen Sicherheitstüpi gefragt, wie es denn mit dem Fotografieren im Gebäude wäre. Laut seiner Auskunft ist das also wirklich prinzipiell okay, es dürfe halt nur nicht die Sicherheitsanlage am Eingang fotografiert werden. Meine Einlassungen zu Personen im Bild haben ihn hingegen gar nicht interessiert. Dann hab ich nochmal einen Schlenker gemacht, um zu sehen, wo denn nun der Raum 138 ist, in dem ich mich dann nächste Woche melden muss. Zweiter Gang links erste Tür rechts. Sehr schick, bin gespannt, wie’s drinnen aussieht:

Saal 138

Auch abends nach sieben, wo da hinten auf der Turmstraße in Moabit noch viel weniger Verkehr herrscht, waren die anderen alle sehr vorbildlich und wollten das in sie gesetzte Vertrauen nicht verspielen und haben an der roten Ampel an der leeren Straße auf grünes Licht gewartet. War ja auch gar kein Problem, die Straßenbahn kam ja eh erst zwei Minuten später. Hätte ich Hampelmann ruhig auch so machen können.