Parocktikum

Band
various artists: Hard Pop / Die Skeptiker / Feeling B / Zorn / Rosengarten / Die Art / Sandow / Die Anderen / AG Geige / Der Expander Des Fortschritts / Cadavre Exquis
Format
LP
Jahr
1989
Label
Amiga
Kennung
8 56 409

Krischan am

die anderen bands

Und weiter gehts mit den ollen Kamellen: diese Platte haben Stephan und ich uns immer in der Bibo auf der Straße der Befreiung ausgeliehen. Und später auch auf Kassette überspielt. Das war lange eine unserer Lieblingsplatten. Ein paar Namen sagen mir zwar irgendwie nix mehr, aber die Lieder kenne ich alle noch:

Los gehen tut es mit einem russischen Gassenhauer, affektiert intoniert von Hard Pop, nach einigem Warten dann aber doch in das erwartbare Polka-Geholper ausartend.

Die Skeptiker machen mit heller Jungenstimme einen auf den harten Mann, der nicht bindungsfähig ist und sich im Zweifel wie ein Arschloch benimmt. He, das ist Punk. Bis auf die kitschige Sprechstelle in der Mitte. Die politischen Songs sind zwar ähnlich flach, gefallen mir dann aber doch besser.

Herrliches Lied das, wo ich mich immer geärgert habe, dass das gar nicht drauf ist auf meiner Hea-Hoa-Platte: Feelings Bs trotziges Punk-Stück gegen Zwang und Bevormundung. Hymne!

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Das punkigste Stück von allen ist dann aber der Touristen-Hasser-Song von Zorn, der eigentlich weniger auf Urlauber als vielmehr auf wohlstandsverwöhnte Gaffer und Raffer abzielt, aber aus der Sicht eines Vorwende-Leipzigers ist das vielleicht dasselbe.

Vielleicht aufgrund des dämlichen Namens Rosengarten (wenige Meter neben einem solchen habe ich als Kind gewohnt) habe ich die Band immer übersehen, oder ich mochte seinerzeit darkwavige Tendenzen einfach nicht, an den Text erinnere ich mich aber auf jeden Fall, und den (aus heutiger Sicht an frühe Joy Division erinnernden) Song mochte ich eigentlich auch immer. Sie waren und wurden aber auch nicht sehr populär.

Die Art dagegen sehr viel mehr, da hab ich dann ja auch mehrere Platten gekauft. Klingt hier noch viel oller und punkiger als auf ihren anderen und vor allem späteren Veröffentlichungen, und auch der Gesang ist lauter und höher, da konnte man immer herrlich zu pogen.

Von Sandow gibts dagegen offenbar dieselbe Aufnahme, die auch auf deren ersten Album »Stationen einer Sucht« zu finden ist: sendungsbewusster Mitgröl-Rock fürs Stadion, der mit dem späteren (und bisweilen deutlich interessanteren) Kunst-Getue noch nicht viel zu tun hat. Trotzdem schön. Trifft irgendwie die Aufbruchstimmung der Wendezeit. Yeah-yo!

Auf der B-Seite wirds genremäßig breitergefächert, zunächst mit den Anderen und ihrem funkigen Müslikram, mit dem ich so gar nichts anfangen kann. Mochte ich auch damals nicht.

Von AG Geige gibt es gleich zwei kurze ihrer merkwürdigen Stücke, die sich irgendwo zwischen experimentellem Elektro-Geknörmel und dadaistischem Art-Rock bewegen und nicht ganz unwesentlich von der für Karl-Marx-Stadt typischen Dialektvermeidung getragen werden. Putzig, aber nicht ganz meine Tasse Tee.

In ein ähnliches, aber dichter am Krautrock hängendes Horn stößt der Expander des Fortschritts, der Textpassagen von Christoph Hein vertont. Und am Ende kommt der Junge mit seinen gut überlegten Wünschen, die er einer Fee aufsagen würde, wenn sie ihn denn mal genauso fragen würde wie immer nur die Märchenprotagonisten. Hach.

Gar nichts anfangen kann ich dann wieder mit dem zweigeteilten Stück von Cadavre Exquis: erst Flöte und esoterisches Klassizistik-Geschwurbel, dann auf einmal komische rythm’n’bluesige Diskomucke mit Rap-Gesang oder so. Sehr anders.

Den Abschluss bildet wieder die Band mit dem dämlichen Namen Hard Pop, deren ostrockiger Song mir aber doch jedesmal wieder unerwartet recht gut gefällt.

Made in the German Democratic Republic

Das Label auf der B-Seite ist arg gewellt. Feucht geworden? Oder beim Pressen nicht aufgepasst? Wer weiß. Stört meinen Plattenspieler auch nicht im geringsten.

Der Verkäufer wohnt übrigens gleich bei mir um die Ecke in einer gemütlichen Dachgeschosswohnung eines Neubaus und wunderte sich über das (fehlende) Alter des Amiga-Sammlers. Dabei sammle ich gar nicht Amiga und war auch schon fast erwachsen, als die DDR den Bach runterging.

Was mich alt genug macht, um den bildungsbürgerlichen Auftrag gutzuheißen, der mit den Amiga-Platten oft einhergeht, die auf der Rückseite einen mittelgroßen Happen Lesefutter mitführen. Hier darf sich Lutz Schramm persönlich über die Entstehung dieser Platte und seine gleichnamige Sendung auf Radio DT64 verbreiten.

Ag 511/01/89/A Verpackung nach TGL 10609

Tracks

  1. Katjuscha [Hard Pop]
  2. Egal [Die Skeptiker]
  3. Unter Dem Pflaster [Feeling B]
  4. Touristen [Zorn]
  5. Bessere Zeiten [Rosengarten]
  6. Sie Sagte [Die Art]
  7. Schweigen Und Parolen [Sandow]
  8. Gelbe Worte [Die Anderen]
  9. Das Möbiusband [AG Geige]
  10. Zeychen Und Wunder [AG Geige]
  11. Der Fremde Freund [Der Expander Des Fortschritts]
  12. Tränen Von Soweto [Cadavre Exquis]
  13. Schlaflied [Hard Pop]

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