compilation zur leipziger pop-kultur 2001
Das isse also, die vermisste Compilation, auf der meine Band Tokyo mit drauf ist. Nachdem ich einige Zeit erfolglos auf den Verkaufsbörsen im Internet nachgesehen hatte, ob wohl irgendjemand so ein Ding loswerden möchte, habe ich mich per E-Mail direkt an die damaligen Macher des Fanzines und der Messe (bzw. der Nachfolgermesse fast gleichen Namens) gewandt, und auf einmal hat mir dann doch noch ein Uwe aus Döbeln (Ortsteil Töpeln) geantwortet und neben einer kurzen Beschreibung der für sein Label damals desaströsen Folgen dieser in den Sand gesetzten Musikmesse mitgeteilt, wenn ich bereit wäre, einen Zehner plus Versand zu investieren, wäre so eine CD meine. Na, gar keine Frage.
Wider Erwarten bekomme ich dann keine normale CD-Hülle (weder Jewelcase noch Pappschuber noch DigiPak), sondern ein 72-seitiges Programmheft mit eingeschobener CD in Papierhülle. Da kann man dann nach dem Veranstaltungsplan und einer Auflistung von Übernachtungsmöglichkeiten seitenlange Texte zum Thema Copyright, Lesen, Pop, Kunst, Rock’n’Roll und Radio lesen, bevor die auftretenden und auf der CD vertretenen Bands sowie die in der Galerie ausstellenden Künstler (kann ich mich an Bilder erinnern?) vorgestellt werden. Möglicherweise war doch mehr Hülle für die CD vorgesehen, denn eine Seite des Heftes listet die Titel auf der CD auf und zeigt dort auch noch weitere legobasierte Artwork-Schnipsel, die z.B. auf einen Pappschuber gepasst hätten.
Unser Label wird im Heft an diversen Stellen als Unterstützer und Mitveranstalter erwähnt, und in der Tat waren wir ja mit allen drei Hauptacts vor Ort: goldoni, tel a viv und tokyo (Kleinschreibung wurde damals großgeschrieben). Bergers Band hat sogar zweimal gespielt, einmal nachmittags mit uns im Werk II und dann nochmal nachts irgendwo weiter außerhalb, oder doch in Ilses Erika? So langsam erinnere ich mich vage an ein paar Details …
Goldoni dürfen die CD anfangen, die Goo-International-Band, die mit uns zusammen die erste (und wir die zweite) Label-Veröffentlichung rausgebracht hat. Hippeliger Akustik-Indie mit zappeligen Beats und verträumtem Gesang. Eigentlich nicht schlecht, überhaupt nicht, aber irgendwie fehlt immer irgendwas, um es richtig gut zu machen. Da helfen auch die dezenten Keyboard-Einsätze nicht. Oder sind mir nur Schlagzeug und Klampfe zu unruhig, ohne dabei jedoch zur Lautstärke oder Dichte beizutragen. Am Ende ist es nur der eigenartig poppige Sound, der zu viele Lücken lässt zwischen Beats und Gitarre: irgendwie dienen alle Instrumente nur der Percussion, und niemand übernimmt den Klang oder die Melodie.
Readymade kenne ich vom Namen her, und siehe da, die sind auch auf ein-zwei anderen Compilations in meiner Sammlung vertreten: opulenter, melancholischer, für die Neunziger fast schon archetypischer Indie-Pop zum Dahinschmelzen, der mich streckenweise an die Harmonien von Slut erinnert.
Chewy dagegen haben sich Mitte der Neunziger ziemlich oft Smashing Pumpkins angehört, aber auch Punk-Pop-Anleihen aus der Ecke von Superchunk lassen sich erahnen. Insgesamt bleibt das dann aber leider recht langweilig und vielleicht nur ein bisschen zu langsam.
Matthias seine Klangwelt hat dann aber mit Rock nichts mehr zu tun, obwohl ja der Bandname zumindest mich an einen Song von Sonic Youth erinnert: sanfter Elektro-Pop mit Saxophon und säuselndem Gesang. Und einem Hauch Ostcharme, wahrscheinlich weil die sogenannten anderen Bands vor 25 Jahren auch alle mit Saxophon hantiert und dabei ähnliche Melodien fabriziert haben.
Malory kenne ich aus den Musiker-Kreisen der Neustadt, obwohl sie ja wohl eher aus Grunau kommen. Aber ihren verträumten (schon wieder!) Mix aus Indie-Rock und Dream-Pop fand ich immer ganz nett, die verhallten Gitarren und die langen monotonen Stücke hätte ich manchmal auch ganz gern selber gespielt. Damit passt die Band prima in den typischen Dresdner Sound, wie er etwa von C4Space auch nicht allzu anders gespielt wird.
Der Jürgen klingt dann wie eine leider nicht allzu spannende Mischung aus Goldoni und Malory, ein bisschen Synthie, ein bisschen Akustik-Klampfe, dazu netter Gesang und dezente Elektro-Beats, das alles bei mäßiger Monotonie vier Minuten am Köcheln gehalten. Nun ja.
Mondo Fumatore dann auf einmal mehr so Hippie und Siebziger und Rockmusik, dabei aber durchaus Anklänge an Weilheim und Konsorten versteckend.
Samba ist die erste Band mit deutschen Texten, das gabs ja damals auch schon, auch außerhalb von Hamburg.
Planet 9 sind mir auch aus den Musikerkreisen der Neustadt und von diversen Auftritten in Dresden bekannt. Hab ich nicht auch irgendwo noch eine Promo-CD herumliegen, weil wir gehofft hatten, sie auf Goo International verlegen zu können? Schrammeliger Indie-Pop mit Elektro-Spielereien, dabei ziemlich garagig aufgenommen. Die Effekte auf dem Gesang lenken die Erinnerung in Richtung Pavement, und ist man einmal auf dieser Spur, dann stimmt auch der Rest.
Lato sagt mir als Name gar nichts, und die Musik scheint mir auch nur ein Sechziger-Cover aus der Beatles-Ecke zu sein.
Was Wa Wa haben einen albernen Bandnamen und singen zu ihrem Keyboard-Pop auf Deutsch.
Tobacco ist ein Seitenprojekt von Readymade, bei dem auf verhallten Halbakustik-Gitarren und Synthie-Gefiepse sanft, aber kernig gesungen wird, dass es den Cowboys bestimmt auch gefallen täte.
Tokyo ist die Band, bei der ich den Bass gespielt habe. Aber was zum Teufel spiele ich denn da am Anfang für einen Quatsch? Das groovt doch gar nicht. Und fetzen tut es auch nicht. Haben das die anderen nicht auch immer gesagt? Ansonsten ist das Stück aber gar nicht so schlecht. War auf der ersten richtigen CD bei Goo International. Als ich mir neulich mal wieder die ganzen Tokyo-CDs angehört habe, fand ich ja auch die älteren Sachen besser.
Untogether rocken routinierter und flotter und deutlich geradeauser und haben nach weniger als drei Minuten auch schon alles gesagt. Viel wars ja auch nicht. Woran erinnern die mich nur?
Studio Grande rocken auch, aber wieder mehr in Richtung altmodisch, so mit Schweineorgel und Gitarrensoli. Dazu passen dann die deutschen Texte scheinbar nicht so, aber so ist das eben in der Hamburger Schule. In die sie aber nicht gegangen sind.
Unicycleman fängt zwar mit schicker amerikanischer Hinterwäldler-Gitarre an, schwenkt aber nach 15 Sekunden auf einmal auf albernsten Synthie-Pop um, herrje. War die Gitarre mal wieder nur Dekoration, ja? Aber wenn man aus Leipzig ist, kommt man mit sowas durch, wenn es um eine Leipziger Musik-Messe geht. (Am Ende setzt die Gitarre wieder ein, und es klingt fast wie Arab Strap. Jedenfalls solange der beknackte Gesang bzw. die angestrengten Sprachsamples ausbleiben.)
The Caine machen auch keinen Rock. Der warme Sound hätte aber was von Air, wenn nicht auch hier der irgendwann einsetzende Gesang alles kaputt machen würde: piepsige Mädchenstimme mit viel Hall und Heh-hey, das brauchst doch wirklich nicht.
Liebejung war in Dresden eine Zeitlang ein vielgepriesener Bandname, ohne dass ich irgendeine Erinnerung daran hätte, etwas von ihnen gehört zu haben. Hätte mir damals auch nicht gefallen, ist ja wieder nur Pop-Musik. Nicht schlecht, grad mit dem fragmentarischen deutschen Text, aber insgesamt doch zu dicht am Techno. Da versteh ich keinen Spaß.
Willkommen Zuhause Laika bringt die Gitarre wieder zurück. Dazu deutscher Text und Keyboard im Hintergrund, später verhaltenes Schlagzeug. Schöne Harmonien. Wenns jetzt zwischendurch noch lauter werden würde. Nee, lieber ein Keyboard-Solo. Dann eben nicht.
Tel A Viv als letzte sind auch bei Goo International zu Hause gewesen. Bergers Band nach der Auflösung von Gaffa, mit Qno Kunze von C4Space am Schlagzeug und Matthias Petzold von Goldoni am Keyboard. Kein Laut-Leise mehr, kein Post-Hardcore, sondern stille minimalistische Gitarren-Musik mit Keyboard-Flächen und wohlgesetzten Drums, bei diesem Stück hier gänzlich ohne Gesang. Und doch wohnt dem eine Intensität inne, die schlummernde Kräfte erahnen lässt. Oder bilde ich mir das nur ein? So ähnliche Sachen gab es ja auf den späteren Gaffa-Scheiben auch schon. Schöner Abschluss jedenfalls.
Tracks
- Lidscreen
- It Could Be Nice
- Tomcat
- Love Me Sophia
- Lake Of Doubts (Maladon Mix)
- Alien Aduction Eventually Leads To Misconceived James Deans
- Freedom Rider
- Sprengung
- Back
- Respond
- Spielesammlung Für Die Kalten Tage
- For All Occasion
- Popsong
- Cut ’Em Cut ’Em
- Im Park
- King Kong
- Control Freak (Lozza’s Puzzle Mix)
- Von Eben
- Die Selbe Stelle
- Sometimes Soon