Wilful Things

Band
Gaffa
Format
LP
Jahr
1999
Label
Manic Music, Doxa
Kennung
MMXA 9938 LP

Krischan am

Wo wir uns grad eben noch drüber unterhalten hatten, dass ja so ein paar Sachen, die man sich ewig nicht mehr und dann neulich doch mal wieder angehört hat, dass die ja echt nicht schlecht sind, sogar richtig gut, zum Beispiel Gaffa, kennste noch, da hab ich jedenfalls gleich am Tag drauf nochmal nachgeguckt, ob man die Platten nicht doch endlich mal günstig kriegt, außer der letzten CD hab ich ja nix von denen in meinem Regal, aber ich hab sie ja sowieso in meiner Beobachtungsliste bei discogs, und siehe da, da isse auch schon eingetrudelt und hat noch zwei Tage mutterseelenallein bei der Textilreinigung im Erdgeschoss auf mich gewartet, weil der Paketbote ja nicht immer klingelt. In fetzigstem Zustand, bombensicher verpackt, nur mit einem kleinen Riss in der Innenhülle, die aber eh nur so eine unbedruckte Standard-Papierinnenhülle ist, also zu vernachlässigen bzw. ohnehin nicht echter Bestandteil der Bewertung.

Habsch ja seit Ewigkeiten schon digital, weil Katharina seinerzeit die letzte Platte der Band grafisch betreut hat und die Plakate zur Tour und sonstigen Merch-Kram auch, und ich neben einem kleinen Plakat aber vor allem die Website, die es inzwischen aber nicht mehr online zu sehen gibt, ist ja lange her, dass es die Band schon nicht mehr gibt und die Nachfolgebands auch schon nicht mehr, jedenfalls hatte ich seinerzeit eine Website für die Band gebastelt, noch so richtig schön mit Frames und Tabellen und Popups und so Zeugs, das man heute gar nicht mehr verwenden darf, wenn man was auf sich hält und schon mal was von semantischem und barrierefreiem Web gehört hat, aber damals waren das halt noch notwendige Krücken zum Erreichen des Gestaltungsziels, und man konnte sich da auch Sachen bestellen, Buttons und Shirts und so, und ein paar Sachen zu den Diskografie-Einträgen konnte man sich auch runterladen bzw. anhören, und spätestens dafür hab ich dann die CDs alle vorliegen gehabt und gerippt, von dieser hier gab’s sogar noch ’ne erweiterte und/oder leicht veränderte Promo-Version, aber als Plattenfreak will ich die natürlich jetzt lieber mal in echt und physisch greifbar in meinem Regal stehen haben. Bitteschön dankeschön.

Hier könnte eigentlich ein Bandcamp-Player hin.

Die Musik, Junge, es geht doch bei der Platte um die Musik, nicht um die ollen Kamellen aus der Zeit vorm Kriech. Soll ja Leute geben, die kennen Gaffa gar nicht. Erzähl domma. Legendäre Band aus Dresden, Nachfolger von Need A New Drug und so, aber außerhalb Sachsens sind die ja einer breiteren Bevölkerung eher nicht allzu bekannt. Typische Gitarren-Musik aus den späten Neunzigern / frühen Nullern eigentlich, mit den dazugehörigen Laut-Leise-Wechseln, kombiniert mit der dresdeneigenen Langsamkeit / Melancholie / Tranigkeit und kleinen Andeutungen von noisigen Spielereien und rockigen Allüren. Bisschen Grunge vielleicht, bisschen Alternative oder so, dabei aber knackig und in der Dreierkonstellation minimal und auf den Punkt. Schön knarziger Bass von Heiko Schramm, bei Bedarf knallhartes Schlagzeug von Peter Krutsch, in den Hintergrund gemischter lakonischer Gesang und die immer leicht angeschrägte Gitarre von Jens Berger: das war mir immer ein Hauch der richtig gut gemachten, interessanten, modernen Rock-Musik aus der großen weiten Welt in der beschaulichen und im Zweifel rückwärtsgewandten Dresdner Gemütlichkeit. Ich fand die Parallelen zu Chokebore immer recht deutlich, auch was den Sound und den schiefen Gesang und die verzerrten Disharmonien angeht, aber da werden Fans anderer Bands wohl was anderes raushören.

Der instrumentale Einstieg mit der schönen Basslinie im verzerrten Teil, herrlich verschleppt gespielt, sowas mochte ich immer, wenn es zwar laut, aber eben nicht schnell und hektisch wird. Und die abwechslungsreiche Art Bass zu spielen sowieso, einzelne Grundtöne und ganze Akkorde, kleine Melodien und bewusst gesetzte Disharmonien, verzerrt und clean, ruhige Akzente und dichtmachendes Brett: da war Heiko neben Eddi ja mein großes Vorbild. Obwohl, mein Stil war ja eh ein ganz anderer. Statt des klassischen Bass’ als Teil der Rhythmusgruppe hab ich ja eher eine zweite Gitarre gespielt, so richtig sinnvoll war das nicht. So dass sich der Versuch von Berger, mal was mit mir zusammen zu machen – er dabei vor allem mit einem alten analogen Vermona-Synthesizer herumspielend –, schnell wieder erledigt hatte. Ist aus diesen Versuchen dann das Kurzzeitprojekt Tel A Viv mit Qno und Matthias Petzold entstanden? Deren herrliche EP wir auf Goo International veröffentlicht haben? Die zeitliche Abfolge hab ich gar nicht mehr auf dem Schirm.

Aufgenommen bei Eddi im Helicopter-Studio in Dresden, wo wir mit Tokyo unsere ersten Sachen auch aufgenommen haben. Der Bass schön im Vordergrund, aber immer mit einer leichten Tendenz zur Mulmigkeit, die Becken leicht verkünstelt in den hohen Frequenzen zischelnd, so ist das üblich, aber nach meinem Geschmack eben nicht so schick wie der Guido-Lucas-Sound der zweiten Platte. Doch der dynamische Unterschied von laut und leise ist hier mal wieder sehr schön erhalten geblieben. Von Mastering steht auch gar nix drauf? Gepresst in sauschweres bzw. einfach deutlich dickeres PVC mit einem Gewicht von 220 Gramm. Klotzen statt kleckern.

Tracks

  1. Drift
  2. I’ll Be Coming Back (One Day)
  3. Sunshine
  4. Smoke Rings
  5. There Ain’t No
  6. Radiofreak
  7. Pairdeer
  8. Wilful Things
  9. The Fridge
  10. Nothing Ever Happens Here

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