Limited Edition
Colored Vinyl
Drei Tage vor dem offiziellen Veröffentlichungstermin liegt das vorbestellte colo-rote Vinyl schon auf meinem Tisch, ätschibätschi!
Aber was ist denn das? Was soll das denn jetzt sein? Wollt ihr mich vergackeiern? Das komische Cover? In bunt und krakelig? Hat das was mit der Musik zu tun? Kann man da Rückschlüsse ziehen? Machen die jetzt Lofi? Do-it-yourself-Indie mit Hippie-Blumen und Akustik-Gitarren? Und die Comic-Blasen? Und die Instrumentenpuppen? Ist das da ein Fragezeichen hinter dem Bandnamen? Werden jetzt die grundlegenden Grundsätze infrage gestellt?
Naja. Vielleicht ist das die länger schon erhoffte Drehung um ein paar Grad in eine andere Richtung. Früher gabs sowas ab und zu mal in der Bandgeschichte, dass nicht immer alles so weiterging wie zuvor. Sondern mal wieder was neues ausprobiert wurde. Muss ja nicht schon wieder alberner Country sein oder experimentelle Filmmusik. Aber was dann? Ich war ja schon vorgewarnt von einem Vorab-Stück auf Bandcamp (oder war das ein Trailer auf youtube?), das ich aber ob des hohen Gesangs und der undefinierbaren Begleitung tatsächlich erschrocken schnell wieder ausgemacht und dann tapfer ignoriert habe, um mir die Vorfreude und den möglichst unvoreingenommenen ersten Genuss nicht verderben zu lassen. Aber zu lesen war auch schon das eine andere darüber. Und dann die komischen Fotos mit den komischen Klamotten und den albernen Bärten …
Das Album entpuppt sich dann jetzt aber als eine angenehme Mischung aus ruhigen Akustik-Stücken kurzer bis mittlerer Länge mit sanftem Gesang, folkig klimpernden Akustik-Gitarren, nur an wenigen Stellen ergänzt durch dezente Percussions und einen Hauch von warmen Keyboardklängen und/oder leicht verstärkter Melodie-Gitarre, alles in wohlige Wärme gehüllt und eine entspannte Fröhlichkeit verbreitend; aber auch leicht angerockte Stücke mit Solopart und E-Gitarren und Schlagzeug und etwas mehr Länge tauchen zwischendurch auf, die dann fast schon wieder auf eins der Vorgänger-Alben passen könnten, vor allem der auch in der Länge herausstechende Hotel-Song, der aber trotzdem die ganze Zeit die Akustik-Gitarren im Hintergrund behält.
Am Ende ist es aber nur das Arrangement und die Produktion, die hier deutlich zurückgenommen wurden, der Rest ist ansonsten immer noch wie gewohnt, die typischen Melodien sind alle wieder da, die typischen Harmonien und Rhythmen und Strukturen auch, sie werden nur eben nicht in überbordende Progrock-Monster gepackt und breitgewalzt, sondern zur Abwechslung mal auf das wesentliche reduziert und als einfache, normale Songs stehen gelassen. Und der zwischendurch wirklich albern hohe Gesang ist freilich vollkommen prima und passt wie angegossen. Und mit dem letzten Stück werden sie fast schon kitschig rührend.
Aber mal ehrlich, so ganz so neu ist das alles auch nicht. Ruhige Akustik-Stücke hat es bei Motorpsycho immer gegeben, gerne auch mal kürzere. Vor allem natürlich als »interessantes« Füllmaterial auf den Singles, als Entwurf-Schnipsel quasi, aber auch als Ein- oder Ausstieg in das eine oder andere Album. Und auch so geballt gab es das schon in ähnlich auf den Millenniums-Alben »Let Them Eat Cake« und »Phanerothyme«, die seinerzeit viele (ja, auch mich) verwirrt haben, weil das auf einmal gar kein alternativer Prog-Rock mit Hang zum Retro-Experiment mehr war, sondern mehr so netter Pop mit Beat-Anleihen aus noch einem Jahrzehnt früher oder so; die waren nur viel poppiger produziert, so mit Bläsern und Streichern und allem pi-pa-po. Nach dem ewigen Schweinegerocke der letzten Jahre, das nach »The Tower« eigentlich peu-a-peu immer langweiliger geworden ist, trotz der Konzepte und einzelnen sehr guten Songs, finde ich das jedenfalls eine schöne, eine gelungene Abwechslung. Auch wenn das jetzt nicht meine neue Lieblingsplatte werden wird.
Hintergrund ist wohl vor allem die Aufnahme-Situation während der Corona-Zeit: alleine im eigenen kleinen Proberaum-Studio haben sie sich da gefragt, ob und wie das jetzt weitergehen soll, und die neuen Ideen mehr oder weniger direkt ins Band gespielt und dann eben ohne große Nachbearbeitung so gelassen. Und auch nochmal zur Seite gelegt, weil sie sich überhaupt nicht sicher waren, ob da was gutes bei rausgekommen ist. Und später fanden sie’s dann doch wirklich richtig gut und haben Reine Fiske die Produktion und Helge Sten alias Deathprod das Mastern in die Hände gelegt, und siehe da: hier ist es, das unerwartet nette Sommer-Album mit einem Obstkorb voller kleiner freundlicher Früchtchen.
This album was written in Trondheim in the first year or so of the plague, recorded at home at the Cheese Factory/Lamoen early in the second year. It was played and engineered by Thomas Järmyr, Hans Magnus Ryan & Bent Sæther, who all felt a little lost and worried at the time and needed some relatively basic music to fill their heads with to try to make sense of things. It helped.
[…]
The dark times of those long years seemed to find their way into the music, but so did the dreams and hopes they inspired. Most of the tunes are traditional in shape and brief, all very brief compared to Motorpsycho’s usual excesses: a certain concision of style felt pertinent as things were confusing and demanding enough. Not our usual métier perhaps, but as such even more of a creative challenge. Medicine for the mind in any case: working on this music kept us sane and carried us through those long years. Yay! steht da auf dem Textblatt. Siehe auch die News auf der Band-Website.
Und Kim Hiorthøy, der Hausgrafiker des norwegischen Hauslabels Rune Grammofon, ist ja auch schon länger nicht mehr mit von der Partie, wenn es um das Cover für die neuen Platten geht. Zwischendurch schon die Live-Alben von Harald Øren, dann die drei Platten-Cover von Håkon Gullvåg und die letzten von Sverre Malling und Johann Harstad; und jetzt eben mal wieder was ganz anderes. Offenbar von einem Sohn? Oder wer ist Jonathan Lykke Sæther, wenn nicht der Nachkomme von Bassist Bent Sæther und Managerin Cecilia Lykke?
Tracks
- Cold & Bored
- Sentinels
- Patterns
- Dank State (Jan ’21)
- W.C.A.
- Real Again (Norway Shrugs & Stays At Home)
- Loch Meaninglessness & The Mull Of Dull
- Hotel Daedalus
- Scaredcrow
- The Rapture