Kosmonauten im Streitgespräch

Junge Hüpfer und muntere Melodien im kolumbianischen Klub

Krischan am

Ein paar der in Dresden gebliebenen insistierten, dass wir hier in Berlin unbedingt zu den beiden Bands gehen sollten, deren Namen noch nie jemand vorher gehört hat – La Dispute und Two Inch Astronaut –, die aber im Columbia Club spielen und total toll sein sollen. In Leipzig jedenfalls wärs superdufte gewesen. Hat sogar der Falk gesagt. Was ich da von der Hauptband auf Bandcamp zu hören bekam, hat mich dann aber nicht vom Hocker gehauen. Typischer Post-Hardcore der Neuzeit, bisschen zu melodisch im Gesang, bisschen zu wenig Gemeter in den Gitarren. Wieso da von Kunst und Überraschendem die Rede ist, erschloss sich mir nicht. Später habe ich dann aber in die allerneueste Platte reingehört und fand mich ein bisschen an Van Pelt erinnert, also wollte ich doch wenigstens mal gucken gehen.

Im C-Club war ich ja noch gar nicht. Bei seiner großen Schwester, der C-Halle, habe ich ja schon Pavement und Sonic Youth und bestimmt noch irgendwas gesehen. Aber das kleinere Ding direkt daneben war mir noch neu. Komische Stufen im Saal, je zwei aller paar Meter, die als Stolperfallen aber für ein kleines Gefälle sorgen, damit man auch von weiter hinten noch was sieht. Und weil man ja heutzutage nicht mehr raucht beim Konzert, gabs einen großen Garten gleich neben dem Saal, wo es angenehm kühl und luftig ist. Und wo man sich in der Umbaupause über Urlaubserlebnisse und -planungen austauschen kann.

Was ich gut fand: wie die von der Vorband ihre frischgeföhnten Haare geschüttelt haben. Die Abkehr von der aus Punk und anderen Vorläufern bekannten uniformen Frisur und Kleidung als Ausdruck letztlich nur gewollter Andersartigkeit ist ja durchaus eine erwachsene Haltung im Hardcore, auch wenn man dann im Ergebnis eben aussieht wie ein netter Junge ohne Mumm in den Eiern. Die Musik zeigt der Welt ja, was da für einer auf der Bühne steht. Schön war auch die Hüpferei der ganzen jungen Hüpfer, die in großer Zahl erschienen waren und die Band(s) offenbar gut kannten. Ich Flasche hab mich aber wieder nicht getraut, mitzuhüpfen. Die Jacke, das Bier, die kleinen Mädchen, verstehste. Die Bands aus unserer Zeit kannten sie aber wohl auch: ich sag nur Fugazi-Shirts. An Valt Pelt hat mich dann bei der Hauptband nicht mehr viel erinnert, nicht einmal die Stimme war noch ähnlich, vielmehr glich sie der von At The Drive In oder Rage Against The Machine, auch was das atem- und pausenlos agitierende angeht. Der richtig mitreißende Drive oder Beat fehlte dann aber, irgendwie kamen sie nicht aus dem Tee. Doch: mehrmals konnte ich ein angeberisches »Na, geht doch!« in den Raum werfen. Und rhythmisch mit dem Kopf nicken. Doch doch.

Hier könnte eigentlich ein Bandcamp-Player hin.

Was ich nicht so gut fand: das Showbusiness der Hauptband. Das eitle Rumgehampel des (instrumentenlosen) Sängers könnte man ja noch als Ausdruck verbuchen, aber die Refrains und andere massentaugliche Schlagzeilen nicht selber zu singen, sondern dem Publikum das Mikro hinzuhalten, das dann aber auch wirklich geballt und textsicher mitgrölt, das war mir fast noch dööfer als das immer wieder aufflammende rhythmische Klatschen der offenbar schon so ganz anders sozialisierten Besucher. Und das ewige Loben des Publikums und der Stadt, das ist doch wirklich immer ausnahmslos oberdämlich, aber die Leutchen beklatschen sich dann tatsächlich jedesmal wieder eifrig selber bis über den grünen Klee, herrje. Und dass immer einer vor einem steht, der pö-a-pö nach hinten rutscht. Und natürlich wieder irgendein Fleischfresser den Saal vollgefurzt hat – dann doch lieber wieder die Raucherei einführen. Selber Jammerlappen.

Hier könnte eigentlich ein Bandcamp-Player hin.

Und was ich überhaupt nicht gut fand: die Heimfahrt. Ich hätte mich natürlich gleich wundern sollen über die drei BVG-Jacken, die da neben dem Eingang zur U-Bahn standen. Und mit etwas mehr Aufmerksamkeit hätte ich die kleinen Schildchen eher entdecken können, die überall hingen und die ich erst nach dem Erwerb eines Fahrscheins für voll genommen habe: in Richtung Alt-Tegel nach 22 Uhr Ersatzverkehr mit Bussen. Letztlich war diese kleine Verzögerung aber egal, denn die Bushaltestelle um die Ecke war kaum zu sehen unter den vielen Leuten. Und dann stand man da eine ganze Weile doof rum. Hätte ich also doch dem 248er Bus hinterherrennen sollen, der ziemlich am Anfang der Wartezeit vorbeikam und mich bis zum Alex mitgenommen hätte. Aber irgendwann kamen ja aus der Gegenrichtung drei Busse auf einmal. Und dann kam der erste zurück, der hieß jetzt aber Betriebsfahrt und fuhr an uns vorbei. Der nächste wurde also schön voll, und ständig blieben die Leute an den Haltestellen in der Tür stehen, aber der Busfahrer war erstaunlich nett und geduldig und verwies uns immer wieder auf den leeren Bus hinter ihm. Und obwohl Alt-Tegel dranstand, fuhr der Bus nur bis Stadtmitte, dafür aber auf verwirrend verschlungenen Wegen. Dort konnte ich in die U2 steigen und am Alex in die M4. Und dann war ich tatsächlich schon halb zwölf zuhause, im verschnarchten Prenzlberg. Eine Stunde nach der versuchten Abfahrt.