Lauter laute Frauen 2

Ein Konzerte, zwei Auftritte, fünf Frauen und ein Mann.

Krischan am

Am Samstag war Kim Gordon da. Hab ich schon paar mal gesehen, mit Sonic Youth, mit Body/Head, unter ihrem eigenen Namen. Aber sowas kann man ja ruhig wiederholen.

Zur Knatschvermeidung haben wir diesmal gar nicht erst versucht, noch kurz vorher schnell zu Hause zu üblichen Uhrzeiten (gilt ja am Wochenende eh nicht) zu Abend zu speisen, sondern sind mit ausreichend Puffer viel eher losgelatscht, um im schicken Kreuzberg vor Ort noch was zu essen. Die Ecke ist ja gesteckt voll mit Imbissen und Restaurants, da finden wir was schönes. Und haben uns für einen sudanesischen Imbiss entschieden und dort einen Falafel verdrückt, der mit der Erdnusssoße eine ganz andere Note hat als der irakische bei uns drei Häuser weiter, aber dadurch eben auch etwas eintönig im Geschmack ist. Doch der Ladeninhaber war lustig und die Ananas-Limetten-Brause erfrischend.

Vorm Festsaal komische Container, wird da gebaut oder sind das nur die Unterkünfte für Bauarbeiter? Gehts da überhaupt noch durch in Richtung Festsaal? Doch. Draußen im Nieselregen stehen wollten wir nicht, also sind wir gleich rein. War ja schließlich schon kurz nach sieben. Drinnen wars alles andere als leer, aber ein paar Sitzplätze in den Sofaecken am rechten Rand waren noch frei. Das Publikum wie erwartet wieder etwas weiblicher und kultureller als üblich, im Alter durchaus gemischt, reine Rentner-Konzerte sind das nach wie vor nicht, wenn Musikerinnen auftreten, die in den frühen Achtzigern auf der Bühne erschienen sind.

Vorband war Gudrun Gut, die mir vor allem als kurzzeitige Mitgliedin in der ganz frühen Anfangsphase der Neubauten bekannt ist und von der ich (woher eigentlich?) eine Maxi-CD habe, wo sie mit Blixa Bargeld zusammen dämliche Techno-Bumms-Musik macht. Irgendwelche Remixe vielleicht. Die Sonne. Eigentlich ist sie aber bekannt durch ihre Band Malaria! aus den Achtzigern, die mir nach wie vor nicht sehr geläufig ist. Muss ich nochmal bisschen reinhören. Ist glaubich ganz putzig. Neuerdings macht sie aber wohl vor allem so Dance-Kacke, die mir nix sagt.

Halb neun taucht sie an ihrem großen Holztisch auf und fängt nach einer Begrüßung zur »Ladies-Night« an mit dem Knöppchen-Drehen. Zu sehen gibts da nix, den Zusammenhang zwischen den Aktionen an Synthesizer und/oder Mischpult und/oder Touchscreen und den kleinen Änderungen an den Geräuschen, die es immer wieder auch ohne diese Interventionen gibt, ist nicht nachvollziehbar, warum manches vorprogrammiert ist und anderes erst live nachjustiert wird, erschließt sich mir nicht, die Effekte auf der Gesangsspur find ich zum Teil einfach nur albern, und dass Frequenzbildmodulation in den Zwanzigern immer noch ein Ding sind, finde ich unverständlich. Aber das Publikum ist begeistert, johlt an bestimmten Stellen frenetisch, an anderen wird nur mit den Köpfen und Armen geschlackert.

Nach einer halben Stunde oder so ist auch schon wieder zu Ende, sie meinte ja auch selber, dass es in ihrem Alter ganz schön anstrengend sei. Dabei ist sie eine knappe Handvoll Jahre jünger als Kim Gordon. Noch unter siebzig. Aber das Singen und Konzentrieren und die nervliche Anspannung und die Wärme. Und ein paar Stellen waren ja auch nicht schlecht, interessante Rhythmen, krasse Sounds, sowas. Und ihre von mir als selbstironisch interpretierte Gestik als unbeholfen anfeuernde DJane fand ich eigentlich auch sympathisch.

Ich hab mich dann doch nochmal durch den ausverkauften Saal geboxt, um eine neue Runde Getränke zu organisieren, da am Rand bei den Sofas war es ja doch ganz schön warm. Weil ein guter Teil des Publikums die Pause zum Draußenrauchen genutzt hat, ging das sogar ganz gut.

Nach einer lang empfundenen Wartezeit kamen dann die Mädels auf die Bühne. Die Sonic Oma von einundsiebzig und die Begleitband mit anderthalb Generationen Abstand. Vermutlich komplett dieselbe Begleitband wie beim letzten Mal, nur leicht anders frisiert, die Gitarristin jedenfalls nicht mehr gelb gefärbt, und die Bassistin eimannfrei wiedererkennbar. Am Rand, von unserer Position aus gar nicht, vom Rest des Saals aus aber vermutlich auch nicht sichtbar der Techniker, der die Fingerzeige auf Monitorboxeneinstellungen annahm und ohrenscheinlich ein paar Synthesizer-Spuren einstreute. Denn Schlagzeugerin und Bassistin hatten zwar auch kleine Synthesizer neben sich, die sie ab und zu statt ihrer physischen Instrumente bedienten, aber da war noch mehr Sound als nur das.

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Songs von ihren beiden Alben haben sie gespielt. Als Rockband wieder sehr viel schöner in Szene gesetzt, als man das von Platte her denken würde, viel Noise und Krach, aber ohne Tammtamm und Machogehabe aufgeführt. Ganz andere Mischung aus Hiphop und Rock, als man das in den Neunzigern für möglich gehalten hätte. Ich hab ja vor allem der Bassistin zugeguckt, die die ganze Zeit einen Lutscher (Katharina denkt, das war ein Zahnstocher) im Mund und sichtlich Spaß am Musikmachen hatte. Von der Schlagzeugerin war aber auch hinter all den Becken nicht viel zu sehen, die Gitarristin war die meiste Zeit vom seitlichen Vorhang verdeckt (wir standen immer noch auf dem Sofapodest am Rand) und Kim Gordon hat nicht viel gemacht außer zu singen und bei zwei oder drei Liedern mal ein bisschen was an der Gitarre zu fummeln. Und die Videos, die wieder auf der Rückwand der Bühne zu sehen waren, konnten wir auch kaum sehen.

Nachdem sie offenbar das neue Album in originaler Reihenfolge durch hatten, war erstmal Pause. Aber da erst eine dreiviertel Stunde um war, konnte man frohgemut jubilieren und applaudieren und sicher sein, dass sie nochmal rauskommen. Und dann haben sie noch ein paar Sachen gespielt, zum letzten gabs sogar noch eine Ansage über den feministischen Inhalt zu den typischen Eigenschaften von weißen Männern, wie sie besonders in Texas massenhaft herumrennen. Ein fast schon klassisch rockendes Stück, das gar nicht recht zum Rest passen will. Obwohl, »Hungry Baby« ist ja irgendwie auch so ähnlich. Nur anders.

Zum Abkühlen und Zeit überbrücken, bis an Garderobe und Merchandise wieder Platz ist, nochmal eine Brause geordert. Katharina hat sich dann noch einen der Pullis gekauft, wo vorn und hinten so klecksige Worte – Kim Gordons typische Kunstwerke – und ein bisschen sonstige Typografie drauf sind. Schwarz auf weiß. Langärmelig. Praktisch im Sommer, wenn wieder die Sonne scheint und man keinen Sonnenbrand haben will. Dann sind wir noch im Oberbaumeck versackt, weils ja noch so früh war und der Durst von der Wärme beim Konzert und überhaupt. Die Türkei hatte offenbar ihr Fußballspiel verloren, es war verhältnismäßig ruhig in Kreuzberg, keine nationalistischen und/oder fußballbegeisterten Randaletürken in Autokorsi unterwegs. Und auf dem Nachhauseweg gabs sogar noch ein paar Pommes für den kleinen Appetit. Und Kartoffelecken, weil ich mit kleineren Portionen gerechnet hatte. Der Rest hats aber auch nicht bis nach Hause geschafft, man kann ja nicht die ganze Straßenbahnfahrt über frittierte Kartoffeln in der Hand halten, ohne davon zu naschen.