Lament

Band
Einstürzende Neubauten
Format
2 LP
Jahr
2014
Label
Mute
Kennung
538013761
Zusatz
Klappcover, sechsseitiges Faltblatt

Krischan am

Ja Mensch, eigentlich wollte ich ja eher nix mehr kaufen von denen, so oll fand ich deren letzte Platte, die ich mir vor inzwischen schon wieder acht Jahren erstanden hatte. Andererseits klang aber die ganze Kritik, die es seinerzeit zur Uraufführung des Stückes und zur daraus entstandenen Platte in Zeitung und Internet zu lesen und im Radio zu hören gab, ganz interessant. Also hab ich mir das Ding beim Bestellen der neuen PJ Harvey mit in die Flight13-Warentüte gepackt.

Und hat sichs gelohnt? Oder ist es wieder eine Enttäuschung? Da es ja weniger Musik für ein Album, sondern vielmehr ein Klangtheater (Performance heißt das) zum Weltkriegsjubiläum ist, könnte man auf interessantere Klänge hoffen. Und losgehen tuts ja tatsächlich mit einem erquicklichen Rangierbahnhof voller Quietschen, Rumpeln und Klirren, das über fünf Minuten allmählich immer mehr zu einem Dröhnen anschwillt.

Pause. Klirren. Heil Dir im Siegerkranz. Beziehungsweise God Save The King. In wechselnder Sprache. Inklusive populärer Umdichtungen mit Fischschwanz und Packpapier.

Und dann kommt er auch schon, der die Erwartungen bezüglich seiner Beklopptheit sogar noch übertreffende Schnulli-Pop mit affigen Beats und – jaja – Vocoder oder wie das Zeug heißt, das mit der Gesangsstimme wie mit Keyboard-Tönen herumspielt. Auto-Tune. Pfft. Dagegen ist das holländische Beten auf dem Perkussionsgeklopfe danach schon wieder ganz unterhaltsam.

Seite B startet mit verschiedenen Sprecherinnen verschiedener Muttersprachen, die – von Jahreszahlen und Datumsangaben und kurzen geschichtlichen Fakten unterbrochen – Länder und Städte und Gegenden aufzählen, die offenbar alle Beteiligte beziehungsweise Schauplätze des 1. Weltkrieges waren. Im Hintergrund oder eigentlich im Vordergrund perkussives Geklapper und Gerappel, das was rollendes und vorwärtsdrängendes hat. Das zieht sich und nimmt kein Ende, was aber nur folgerichtig erscheint.

Danach wird fast richtig gesungen – das ist natürlich nicht Blixa Bargeld, sonder Alex Hacke –, aber die Begleitung bleibt gottseidank hinter ihren Möglichkeiten zurück, das hat mehr was von Chanson mit nur ein bisschen Bass und Schlagzeug und wenigen Streichern. Danach nochmal holländischer Text mit Geräuschen, ich versteh leider nichts. Aber das ganze Ding war ja auch ein Auftrag aus Holland Belgien.

Die ersten drei Stücke auf der dritten Seite bilden zusammen eine Trilogie namens Lament. Der Einstieg passt zum Titel: sich gegenseitig immer wieder überlagernde Stimmen, die ohne Worte einen religiös klingenden meditativen Klangteppich erzeugen. Auch hier allmähliches Anschwellen, und ein Blixa mit Echo sagt was über die Mächtigen und ihrer Liebe zu Krieg und Tod. Dann krachts theatralisch, in den Lücken fiedelts und heults traurig. Und dann hört man zwischen den Streichern alte knisternde Originalaufnahmen von Kriegsgefangenen. Sowas ähnliches kennt man von Mogwai.

Danach rückt sich Herr Bargeld wieder etwas mehr in den Mittelpunkt mit der Frage nach seinem Tod, die Sprache mehrfach wechselnd. Begleitung mehr oder weniger nur Bass und Metronom. Da findet einer sich und seine Stimme und seinen Text ganz toll. Und am Ende darf nochmal die Lautstärke mitmachen.

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Die Endlosrille danach macht dann aber wenig Sinn. Und die Frage nach den Blumen? Ni reene, Marlene? Wann wird man je verstehen? Die Frage ist natürlich trotz ihrer Rhetorik berechtigt.

Witziger Text von Joseph Plaut, mit Verve vorgetragen. Nun ja. Und nochmal ein bisschen Singen.

Doch, hat sich insgesamt durchaus gelohnt. Auch wenns zwischendurch mal ein bisschen öde wird, ist das insgesamt doch mal wieder eine Platte, mit der ich was anfangen kann. Vor allem das titelgebende Stück und die zwei dazugehörenden danach sind einfach prima. Und der Anfang. Und das lange Percussion-Ding auch. Ich hör mir die Platte einfach gleich nochmal an. (Leider kein Download dabei, muss ich wieder ständig zum Plattenspieler eiern.)

Die Platten stecken in schwarzen Innenhüllen, das Faltblatt hat volle Plattengröße und zeigt neben den Texten und kleinen historischen und Bandmitglieder- und Instrumenatriumsfotos auf der Vorderseite ein weiteres vollflächiges Foto mit Taschenlampen- und Langzeitbelichtungsspielchen.

Tracks

  1. Kriegsmaschinerie
  2. Hymnen
  3. The Willy-Nicky Telegrams
  4. In De Loopgraaf
  5. Der 1. Weltkrieg (Percussion Version)
  6. On Patrol In No Man’s Land
  7. Achterland
  8. Lament
  9. Abwärtsspirale
  10. Pater Peccavi
  11. How Did I Die
  12. Sag Mir Wo Die Blumen Sind
  13. Der Beginn Des Weltkriegs 1914 (Dargestellt Unter Zuhilfenahme Eines Tierstimmenimitators)
  14. All Of No Man’s Land Is Ours

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