Erstes Konzert im neuen Jahr: Deerhoof. Lange nicht gesehen. Vor ziemlich genau neun Jahren im Lido und vor knapp viereinhalb Jahren nochmal in der Kulturbrauerei. Zwischendurch waren nicht alle neuen Platten so richtig schick, aber die letzte ist wieder besser gewesen. Fand ich, als ich grad nochmal reingehört hab. Hab ich mir noch gar nicht gekauft? Na sowas. Jedenfalls schon wieder ein Konzert im SO36, das war wohl bei der Konzerte-Planung letztes Jahr grad Mode und durfte auch im folgenden Februar nochmal ran.
Vor dem Club eine lange Schlange, die sich auf dem engen Fußweg bis ans übernächste Haus heranschlängelte, Katharina wollte glatt überlegen, ob man sich da überhaupt anstellen muss oder ob das nur die Deppen sind, die sich erst noch eine Karte kaufen müssen, ausverkauft war ja nicht. Aber dann ging’s ja doch recht fix. Am Eingang nochmal ein kleiner Zettel mit der Bitte ums Maske-tragen, das ist bei Deerhoof-Konzerten so üblich, das verbreiten sie ja seit Monaten auf allen Kanälen. Haben sich natürlich berlintypisch nicht alle dran gehalten, die Angestellten schomma gar nicht, aber der Nachahmungseffekt war wieder schön zu beobachten, wenn man dann seine eigene Maske herausholt und sie aufsetzt. Hatte ich erwähnt, dass ich selbst nicht dran gedacht hatte, eine einzustecken, Katharina aber natürlich zwei dabeihatte?
War schon ganz schön voll, wir waren ja erst nach acht da und die Vorband lief schon. Erstmal Getränke holen zum Geld wechseln und am Merchandise-Stand schnuppern: Platten und CDs und T-Shirts im Look des aktuellen Albums. Also nüscht. Also ein Blick auf die Bühne. Bandcamp hatte ja schon einen Eindruck vermittelt, wie da Klangteppiche aus verhallten E-Gitarren auf uns einprasseln sollten. Ganz schön langweilig, trotz des bläckmättligen Sounds, aber ich hatte die Hoffnung geäußert, dass es live mit der dazugehörigen Lautstärke vielleicht doch ganz schick wäre. War aber gar nicht laut. Und das neuere Zeug wohl auch viel ruhiger. Und nur eine Person auf der Bühne. Der zwar ganz schön an seiner Gitarre herumschredderte, aber eben nur sanft die Klangfarben wechselndes Rauschen produzierte.
Weiter nach vorne drängeln, immer wieder Lücken nutzen, die auch von kleineren Personen offen gelassen wurden, selber schuld, dass sie dann nichts sehen hinter mir. Erstaunlich voll schließlich, vielleicht war inzwischen doch ausverkauft, ich wundere mich jedesmal wieder, dass so komische Musik so viele Anhänger findet, aber andererseits hat die aktuelle Tour nur große Schritte gemacht und dabei in Deutschland nur dreimal angehalten. Keine bekannten Gesichter, vielleicht auch nur nicht in unserer Nähe.
Ziemlich pünktlich um neune ging’s los mit der Hauptband. Kurz vorher waren sie schon auf der Bühne und haben ihre Instrumente gecheckt, sind dann aber nochmal verschwunden, sich umziehen oder nochmal einen durchziehen oder so. Sie hatten dann aber nahezu normale Sachen an, gar nicht so ironisch verspieltes Zeug wie bei den letzten Malen. Schade.
Zum Einstieg eine kleine Ansage zur Vorband, die mir jetzt im Nachhinein klarmacht, dass das ein Projekt des Gründungs- und inzwischen längst wieder ausgeschiedenen Bandmitglieds Rob Fisk war, bei dem sich die Band nochmal bedankt. Dann ein bunter Strauß bekannter Melodien und Rhythmen, genaue Songs kenn ich aber nicht, klingt eh alles gleich, sehr unterhaltsam und voller Überraschungen und Verweigerungen, aber auf Dauer in der An-allen-Schubladen-Vorbeiheit doch irgendwie eintönig. Als Konzert wird das aber nicht zuletzt durch die eingeschobenen Reden des Drummers Greg Saunier aufgelockert, der in seinem fuchteligen Gedresche auf dem extrem abgespeckten Schlagzeug (keine Hi-Hat!) vermutlich auch mal ein paar Pausen braucht und dann den Clown macht, indem er wie üblich von einem Ende der Bühne zum anderen latscht und sich weit zum Mikro der erstaunlich kleinen japanischen Sängerin und Bassistin Satomi Matsuzaki hinabbeugend den leicht debilen Verwirrten spielt, jedes einzelne Wort suchend und mit merkwürdiger Aussprache meist auf Englisch stammelnd, zwischendurch aber auch schlechtes Deutsch vorgaukelnd.
Nach einer Stunde war Pumpe, aber schon nach sehr kurzem Applaus kam die Band wieder aus dem Keller gekrabbelt und hat nochmal zwanzig Minuten gespielt. Die Erklärung, dass Passagen des nächsten Stücks von einem unbekannten deutschen Komponisten namens G.F. Händel inspiriert seien, war fast schon glaubwürdig. Der erneute Applaus nach den zwei langen Stücken der Zugabe hat dann aber nicht mehr geholfen, große Teile des Publikums strömten eh schon Richtung Ausgang, die bessere Hälfte blieb jedoch weiter klatschend und pfeifend stehen, bis nach einigen Minuten schließlich das Licht anging und leise Musik vom Band ertönte, untrügliche Zeichen dafür, dass weiterer Bedarf an Musikvorführung nicht mehr gedeckt werden konnte, sollte und/oder wollte.
Aus lauter Frust und nach meinem amüsierten Zureden hat sich Katharina dann doch noch die Socken gekauft, die es am Merchandise-Stand gab: himmelblaue Socken und mit gelbem, schwer zu entziffernden Schriftzug, nur in einer kleinen Einheitsgröße verfügbar, anbei ein Download-Code für das Live-Album von vor drei Jahren. In der Zwischenzeit tauchte die Sängerin und Bassistin in der Menge auf und begrüßte den einen oder anderen Bekannten und war wirklich nur halb so lang wie der mitteleuropäisch gelesene Rest.
Zu Hause waren immer noch Ferien und die Kinder auch halb zwölf noch wach. Sachen gibt’s.
Krischan am 31. Mai 2024
Jetzt gibt’s das Konzert als digitales Album und nochmal als besseres Video.