Weitere Bewährung, Unterbrechung

Letzten Monat war gar nix, und heute auch nur zwei Fälle.

Krischan am

Im Juni kam ja eine sogenannte Abladung. Ich wäre zwar, wie mir bereits mitgeteilt worden sei, als Schöffe ausgelost für diesen Termin, aber es fänden nun an diesem Tag (bisher) keine Termine statt. Es wurde offen gehalten, ob nicht doch noch kurzfristig Termine angesetzt würden, was dann jedoch nicht passiert ist.

Heute aber. Ganz regulär zum vereinbarten Termin. Mit Ladung. Nur zwei Termine. (Letztes mal sollten es ja vier sein, warum sind die alle ausgefallen? Oder nur verschoben? Wer weiß. Hab gar nicht gefragt. Petra auch nicht.) An der Tür stand wieder einer mehr, doch der letzte war einer für mit ohne Schöffen. Bei einfachen Sachen mit geringer Straferwartung reicht ja ein:e einzelne:r Richter:in allein schon aus. Die können das manchmal auch schon ohne uns.

Fall eins recht interessant. Auf dem Papier eigentlich schön einfach, von wegen, da wäre ja nun wirklich mal eine vollzogene Haftstrafe fällig: etliche einschlägige Vorstrafen in nicht allzu langen Abständen, zuletzt vor reichlich fünf Jahren zu mehr als zwei Jahren verknackt, und nun vor zwei Jahren wieder Kokain in der doppelten der nicht geringen Menge dabei, dazu ein bisschen Ketamin und bunte Pappen. Der Richter wollte es jetzt vor allem von einem Geständnis abhängig machen, ob nicht vielleicht trotzdem nochmal Bewährung in Frage käme.

Nach den Personalfragen und der Anklageverlesung also Verhandlungseröffnung. Der Rechtsanwalt erklärte, der Angeklagte sei voll geständig. Die Fragen zum persönlichen Hintergrund ergaben ein nicht den Klischees entsprechendes Bild: ein mittelalter Handwerker aus dem norddeutschen Raum, ein Kind bei der leiblichen Mutter, Unterhalt wird gezahlt, die Berufsausbildung wurde in der JVA abgeschlossen, seit Jahren in Arbeit, festangestellt, gutes Gehalt, Chance auf Teamleitung, wenn der Führerschein erworben wurde, was im Moment noch am Abstinenznachweis hängt, der ihm eine monatliche Urinprobe abverlangt. Er kam fast schon ins Schwatzen, als er von der Organisation rund um die Urlaubsbetreuung seines Kindes erzählte. Als Jugendlicher habe er gelegentlich gekifft, es mit Ende Zwanzig aber aufgegeben, weil ihm das nix bringe.

Die Staatsanwältin war geradezu konsterniert über die Diskrepanz zwischen dem offenbar in die Bahnen gekommenen Leben und dem neuesten Fall. Das sei wohl mehr so ein aus dem Ruder gelaufenes Junggesellenabschiedsding gewesen, bei dem er zum Schluss irgendwie allein gelassen wurde, sagte er. Eigentlich verfolge er aber seine Strategie, über den Erfolg im Beruf zu einem geregelten Leben zu finden.

Die Justizbeamtin erinnerte den Richter noch schnell an den geladenen Zeugen, der also fix als nicht mehr benötigt wieder entlassen wurde. Die Staatsanwältin plädierte dann merklich hin- und hergerissen zwischen den Pros und Kontras auf reichlich ein Jahr Haft, dank der guten Perspektiven doch noch einmal auf Bewährung auszusetzen, aber dann bitte vier Jahre lang, zudem soll es noch eine Geldbuße von 2000 Euro geben. Der Rechtsanwalt legte vor allem auf die Bewährung Gewicht, alles andere jedoch in die Hände des hohen Gerichts. Und das entschied sich dann für eine kürzere Bewährungszeit, weil die letzten zwei Jahre ja schon ohne weitere Strafen und in letzter Zeit auch unter Abstinenzaufsicht abgelaufen sind, und das mit der Geldstrafe haben wir auch weggelassen, um den Führerscheinerwerb und die Unterhaltszahlungen nicht zu gefährden.

Urteil angenommen, Staatsanwältin auch keine Rechtsmittel, damit rechtskräftig, die übliche Ermahnung des Richters, dreiviertel Stunde Pause.

Fußboden

Fall zwei kannten wir schon, das war der letzte, der ausgesetzte Fall von vor zwei Monaten. Der Rechtsanwalt kam mir schon so bekannt vor, als er mir beim Verlassen des Saals begegnete und fragte, ob da hinter der von mir soeben verschlossenen Tür noch eine Verhandlung laufen würde. Nö. Aber die übernehmen ja auch mehr als einen Fall. Die Dolmetscherin habe ich dann auch wiedererkannt, den Angeklagten jedoch tatsächlich nicht auf den ersten Blick. Diesmal waren lauter Zeugen da, drei Männer, die wie Polizisten aussahen, und ein junges Paar, das nach nahem oder mittlerem Osten aussah. Zwei weitere Polizisten fehlten, einer davon frisch als erkrankt gemeldet, einer unentschuldigt. Nanu. Das Paar war noch nicht angekündigt, sondern vom Rechtsanwalt mitgebracht, die Namen wurden der Schriftführerin buchstabiert.

Der Rechtsanwalt verlas dann nach der Eröffnung nochmal die Erklärung des Angeklagten, er hätte seinerzeit mit einem geliehenen Auto einen Bekannten vom Bahnhof abgeholt, der dann zwei Gepäckstücke bei ihm untergestellt habe, von den Drogen im Auto wisse er nichts, und die Drogen in seiner Wohnung seien in den Sachen seines Bekannten gefunden worden, das wären alles nicht seine. Das Geld sei von seiner Mutter und von seiner Schwägerin und von seiner Frau.

Der erste Zeuge ein junger Polizist, der sich nicht mehr an den einen Einsatz unter vielen erinnern konnte, zumal der jetzt schon drei Jahre zurückliegt und er sich dank fehlender Vorgangsnummer auch nicht vorher nochmal einlesen konnte. Dem zweiten Zeugen, einem weiteren jungen Polizisten, ging es da ganz genauso. Der dritte Zeuge war ein älterer Polizist, der bei der Durchsuchung nicht dabei war, sondern als Finanzermittler im Nachhinein hinzugezogen wurde und in den Steuerunterlagen keine legalen Einkünfte finden konnte, die das viele Geld erklären könnten. Außerdem sei ein Auto auf den Angeklagten zugelassen. Alle drei wurden unvereidigt wieder entlassen.

Dann stellte der Rechtsanwalt einen Beweismittelantrag für die Behauptung, der Angeklagte habe die Sachen seines Gastes im Vertrauen für ihn aufbewahrt und keine Kenntnis über deren Inhalt. Dazu wurden die beiden verbliebenen Zeugen aufgerufen, die beide aussagten, dass in dem Moment, als sich alle Gäste zur Party vor dem Haus des Angeklagten getroffen haben, der vom Bahnhof abgeholte Gast den Gastgeber (den Angeklagten) auf die beiden Gepäckstücke ansprach und dieser in die Aufbewahrung einwilligte mit dem Hinweis, dass das Zeug aber nach spätestens drei Tagen wieder abgeholt werden müsse. Wo genau die einzelnen Gepäckstücke dann in der Wohnung gelandet sind, wie genau sie ausgesehen haben und aus welchem Material sie gewesen seien, war nicht eindeutig festzustellen. Die genauere Erinnerung an die Szene vor der Tür wurde aber damit begründet, dass der Angeklagte die Zeugen drei Tage später mit der Erzählung über den Polizeieinsatz darum bat, als Zeugen zur Verfügung zu stehen.

Da weitere wichtige Zeugen fehlten, wurde die Verhandlung an dieser Stelle unterbrochen. In drei Wochen ist ein Schiebetermin, um die maximale erlaubte Unterbrechungsdauer einzuhalten, und in sechs Wochen, wenn alle aus dem Urlaub zurück sind, findet die reguläre Fortsetzung statt, dann hoffentlich mit den heute fehlenden Zeugen. Bin ehrlich gespannt, wie es da weitergeht!