Sings Dylan

Band
Cat Power
Format
2 LP
Jahr
2023
Label
Domino
Kennung
WIGLP 524
Zusatz
geprägtes Klappcover

Krischan am , 1 Kommentar

The 1966 Royal Albert Hall Concert

Oh je, was soll denn das werden? Chan Marshall spielt ein Live-Konzert von Herrn Nobelpreisträger Bob Dylan nach? Wieso? Achso, das war wirklich ein eigenes Konzert, am selben Ort [1] und mit denselben Liedern? Nur 56 Jahre später? Naja, nagut, warum auch nicht. Der lebt aber schon noch, oder?

Hier könnte eigentlich ein Video hin.

Die Stimme ist gut, gefällt mir, viel dunkler und voller als früher, das hört man ja auch auf den letzten Studio-Alben, die mir aber leider musikalisch nicht mehr gefallen haben, vielleicht nur wegen der zu umfangreichen und zu massiv agierenden Begleitband. Hier aber erfreulicherweise wieder Reduzierung auf akustische Gitarre und Gesang, nur ergänzt um – ausgerechnet – Mundharmonika. Was willste machen, wenn es das Skript so verlangt? In meinen Ohren aber allenthalben besser als eine gutgelaunte Bluesrock-Band.

Spricht mich aber trotzdem nicht so richtig an. Ist nicht ihre eigene Musik. Und schon gar nicht die aus ihren frühen Jahren, da hatte sie mir noch was zu sagen. Stattdessen Dylan-Songs, die ich ja an anderer Stelle schon für durchaus gut befunden habe, aber da war das vielleicht irgendwie anders gemeint. Oder anders umgesetzt. Ist ja hier auch im Grunde gar keine Musik, sondern nur eine musikalisch unterlegte Lesung der Texte des ehrfürchtig in den Himmel gehobenen Autoren. Und die musikalische Komponente ist dann irgendwie nur so öde Altherren-Klampfmusik.

Und auch das konnte sie aber schonmal besser, mit Coverversionen hat sie sich ja schon oft beschäftigt, das erste Covers-Album war noch richtig schick, und auch das zweite und dritte waren eher besser als erwartet/befürchtet, vor allem im Vergleich zu den immer opulenter produzierten Alben aus derselben Zeit. Aber da war natürlich die Bandbreite der Vorlagen viel größer und damit vielleicht automatisch auch die Abwechslung in der jeweiligen Umsetzung. Hier hingegen: ein Autor und eine Interpretin. Das kann ja nix werden.

Die gutgelaunte Bluesrock-Band entert dann natürlich in der zweiten Hälfte doch noch die Bühne. Mit Uffta-Drums und Hammond-Orgel und schrummelnden Gitarren und grauseligem Classic-Rock-Gerumpel voller Country- und Blues-Anleihen. Was willste machen? Kopp schütteln. So oder so.

Schade. Aber dem anwesenden Publikum hat’s offenbar gefallen.

Muss ich Cat Power wohl wirklich langsam mal zu den Akten legen. Die frühen Alben nimmt mir ja niemand mehr weg. Und die erste der beiden Platten kann ich mir ja immer noch ab und zu mal anhören. Ganz so schlimm ist das nicht. Manchmal passt das schon. Wenn’s mal sanft und belanglos plätschern soll.

Ja Mensch, stopp jetzt mal.

Irgendwas scheint sich da in mir sehr zu sträuben. Eigentlich hatte ich mir eingebildet, ich würde möglichst offen und unvoreingenommen an die neue Platte rangehen, und dann meckere ich aber trotzdem sofort rum, obwohl sie gar nicht die befürchtete Schunkelblues-Nummer abzieht, sondern sich wieder mit Gitarre und immer noch schön wackeliger Stimme hinsetzt und feine kleine Songs spielt. Und dabei laut taz die Songs mal wieder leicht verändert und im Vergleich zum Original neue Sicht- und Spielweisen entdeckt. Weil es je nach Song ja schon einen Unterschied macht, ob er von einem Mann oder einer Frau gesungen wird.

Und auch meine Kritik am schunkeligen Band-Sound bekommt ja ein kleine Geschmäckle, wenn ich ganz ähnliches bei Songs: Ohia oder anderen Jason-Molina-Bands viel eher zu verzeihen in der Lage bin. Ja, das alberne Mundharmonika-Gequietsche ist keine echte Bereicherung der Songs, aber ist es das mit den Feedback-Orgien anderer Bands an anderer Stelle immer in jedem Fall? Oder ist das einfach eine zum Genre gehörende Konvention, die dann eben nicht weggelassen werden kann/muss/sollte?

Auch diesen Album wächst mit jedem Hören. Vielleicht auch die zweite Platte.

Die Schrift auf dem eleganten dunkelbraunen Cover ist übrigens nicht schwarz mit hellem Schatten, sondern erhaben eingeprägt und mit hochglänzender Goldfolie versehen, das ist nur mit meinem Scanner mal wieder nicht naturgetreu einzufangen und abzubilden. Sieht also in Wirklichkeit viel besser aus als hier:

Tracks

  1. She Belongs To Me
  2. Fourth Time Around
  3. Visions Of Johanna
  4. It’s All Over Now, Baby Blue
  5. Desolation Row
  6. Just Like A Woman
  7. Mr. Tambourine Man
  8. Tell Me, Momma
  9. I Don’t Believe You (She Acts Like We Never Have Met)
  10. Baby, Let Me Follow You Down
  11. Just Like Tom Thumb’s Blues
  12. Leopard-Skin Pill-Box Hat
  13. One Too Many Mornings
  14. Ballad Of A Thin Man
  15. Like A Rolling Stone

Links

Krischan am 11. Dezember 2023

[1] Das originale Konzert fand wohl ganz woanders statt, nur die Bootlegs, die lange Zeit die einzige Quelle für dieses allseits beliebte Konzert waren, haben so getan, als wäre das in London und speziell in der Royal Albert Hall gewesen. Kennt man ja.